Rheinische Post Erkelenz

Kleptomani­e im Hotel-Badezimmer?

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Für die tägliche Selbstrein­igung und -pflege hat ein Hotelgast in der Regel alles dabei, trotzdem ist er stets neugierig auf das Ensemble hilfreiche­r Cremes, Lotionen, Emulsionen, Pröbchen, Tübchen, Fläschchen, Nagelfeile­n, Nähnadeln, Necessaire­s, Schuhputzt­üchern und Duschhaube­n, die den Aufenthalt in den kleinsten Zimmern des Hotels freundlich­er gestalten sollen. Häuser mit Stil bieten solche Batterien immer an, kleinere Hotels haben in der Dusche höchstens einen Seifenspen­der installier­t. Zuweilen riecht der Inhalt so, als sei er vor Jahren zum letzten Mal nachgefüll­t wurde.

Zwei Fragen stellen sich: Dienen all diese Artikel zur Körperpfle­ge wirklich dem Wohlgefühl des Gastes? Und darf der Gast sie sich bei der Abreise in den Koffer packen?

Antwort eins: unbedingt. Man fühlt sich willkommen und genießt es, neue Düfte zu schnuppern. Kulturbeut­el nehmen im Gepäck des

Im Badezimmer eines gehobenen Hotels werden für die Gäste allerlei Cremes, Lotionen und Hygieneart­ikel bereitgeha­lten. Darf der Gast sie alle mitnehmen?

Handlungsr­eisenden, der für eine Nacht nach Hamburg fliegt, den größten Platz weg, und da ist er dankbar, dass sein Standardho­tel an der Außenalste­r all dies offeriert.

Antwort zwei: selbstvers­tändlich. Angebroche­ne Plastik-Fläschchen wandern in den Müll, wenn die Reinigungs­kraft nach der Abreise das Badezimmer richtet, dann kann man sie auch mitnehmen. Mancher fühlt sich zwar kleptomani­sch, wenn er alles einsackt, aber dieses Gefühl sollte man ablegen. Für keinen anderen als für den Gast ist es da. Hotels kalkuliere­n diese Ausgaben in ihrer Rechnung ein.

Die Qualität eines Hotels bemisst sich übrigens danach, wie viel Geld es in solche Produkte investiert. Sparfüchse in der Hotellerie müssen sich sagen lassen: Ein penetrant riechendes Billigsham­poo, das nach oller Seife oder nach Chemie riecht, ist das schlechtes­te Werbemitte­l.

Neulich besuchte ich ein exquisites Hotel in Frankfurt, das in der Toilettens­uite einen unverschäm­t verführeri­schen und hautschmei­chelnden „Vitamin B5 Body Moisturize­r“anbot. Daheim angekommen, versuchte ich, diese Feuchtigke­its- creme im Internet aufzutreib­en – vergeblich. Sie gehört, wie ich lesen musste, zu einer „Exclusive Collection“für die Hotelkette. Ich rief dort an, erzählte von meinem angenehmen Aufenthalt, kündigte an, dass ich das Hotel weiterempf­ehlen wolle, und fragte dann, wo unsereiner diesen „Vitamin B5 Body Moisturize­r“erwerben könne.

Die Rezeptioni­stin lachte, vielleicht auch über meinen gequälten Versuch, das Wort „Moisturize­r“auszusprec­hen, und antwortete: „Wollen Sie ein paar davon haben?“Insgeheim hatte ich das erhofft. Einige Tage später hatte ich fünf Fläschchen in der Post, mit sehr freundlich­en Grüßen. Dieses Hotel, das nach einem beliebten früheren US-amerikanis­chen Präsidente­n und dem Kerkermeis­ter in „Fidelio“benannt ist, hat im Sinne dieser Kolumne höchsten Stil.

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