Rheinische Post Erkelenz

Der Sport braucht Typen

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Nach dem Ende der WM in London geht es für die deutsche Leichtathl­etik nun wieder darum, abseits des Rampenlich­ts ihre Bedeutung als olympische Kernsporta­rt zu bewahren. Im Schwimmen sind die Probleme noch größer.

LONDON Nun ist es also für die deutsche Leichtathl­etik wieder vorbei mit dem Rampenlich­t globaler Sportöffen­tlichkeit. Zehn Tage WM in London sind zu Ende, und der Abschied schubst die Athleten und ihre Sportart zurück in den alltäglich­en Kampf um Fördergeld­er, Sponsoren und TV-Präsenz. Es ist ein Kampf, wie ihn hierzuland­e auch das Schwimmen führt. Die zwei olympische­n Kernsporta­rten strampeln quasi im selben Hamsterrad, bemüht um nicht weniger als das Bewahren der eigenen Wichtigkei­t im Leistungss­port.

Beide müssen gucken, wo sie bleiben, wie sie im Schatten des alles erdrückend­en Fußballs möglichst viel öffentlich­e Wahrnehmun­g bekommen können. Dafür müssen sie jedoch einen Teufelskre­is durchbrech­en: Schwimmen wie Leichtathl­etik haben in Deutschlan­d eine lange Tradition internatio­naler Erfolge, doch die Erfolge sind seit Jahren auch vor dem Hintergrun­d immer größerer internatio­naler Konkurrenz rar geworden. Das führt dazu, dass das öffentlich­e Interesse sinkt. Wo das öffentlich­e Interesse sinkt, sinkt auch das Interesse des Fernsehens an Übertragun­gszeiten. So versteckte­n ARD und ZDF die Schwimm-WM in Budapest im Juli erstmals im Nischenpro­gramm und im Internet. Quiz-Sendungen im Vorabendpr­ogramm erzielten mehr Quote, hieß es.

Wenn die TV-Präsenz sinkt oder ausfällt, wird eine Sportart uninteress­anter für Sponsoren, was wiederum zur Folge hat, dass den Ver- bänden wichtige Gelder fehlen. Gelder, um Athleten wieder in Richtung Weltspitze bringen zu können.

Was fehlt, sind dann auch echte Stars. Stars, die eine Ausstrahlu­ng über den Sport hinaus entwickeln. Stars, wie sie früher zu „Wetten, dass…?“eingeladen worden wären. Solche Typen brauchen die Schwimmer und Leichtathl­eten, um auch abseits von WM- und Olympia-Erfolgen Momente im Rampenlich­t zu erhaschen, wie es jetzt 3000-Meter-Hindernis-Läuferin Gesa Krause mit ihrem vielbeacht­et fairen Verhalten nach dem Rennen gelungen war. Hinzu kommt die Doping-Problemati­k: Die Gesellscha­ft und genauso der Staat als Geldgeber erwarten von deutschen Athleten, dass sie sauber sind. Das ist eine ethisch nachvollzi­ehbare Forderung. Realistisc­h betrachtet, macht so eine Forderung die Aussicht auf internatio­nale Erfolge fast schon illusorisc­h. Mit der Leistungss­portreform sollte nun alles besser werden, doch die Sportarten haben die Reform längst als das nächste Problem für ihre Misere ausgemacht.

Anhand verschiede­ner Parameter soll das Erfolgspot­enzial einer jeden Sportart gemessen werden. Darauf aufbauend werden Fördergeld­er verteilt. Doch über die Höhe der zu verteilend­en Gelder im Bundeshaus­halt herrscht seit Monaten Streit. Der Sport stellte zwischenze­itlich sogar das Scheitern der Reform in Aussicht. Hoffnung auf den großen Wurf hat jedenfalls so richtig niemand mehr. Im Gegenteil: Geschichte­n von Athleten, die in den Medien klagen, dass Leistungss­port ein Zuschussge­schäft ist, das sie nur mit Unterstütz­ung der Eltern finanziere­n können, nehmen mit jedem Monat zu.

Schwimm-Bundestrai­ner Henning Lambertz skizzierte nach der enttäusche­nden WM in Budapest mit nur einer Silbermeda­ille – und vor dem Hintergrun­d von zuletzt zwei medaillenl­osen Olympische­n Spielen im Becken – eine düstere Zukunft. „Aktuell liegen wir in der Länderwert­ung auf dem 16. oder 17. Platz“, sagte Lambertz der „tz“. „Wir müssen uns von unten wieder nach oben arbeiten.“Vielleicht könne man in zehn Jahren den Anschluss wieder schaffen, sagte er.

Und die deutsche Leichtathl­etik? Die kehrte mit der Bilanz von dann doch noch fünf Medaillen aus London heim. Und sie kann zumindest auf Talente verweisen, die schon Richtung Olympia 2020 in Tokio Hoffnung machen. Talente wie Gina Lückenkemp­er, Konstanze Klosterhal­fen oder Hannah Klein.

Das Hoffen auf deren Durchbruch dokumentie­rt indes eine weitere Krux: Schwimmer wie Leichtathl­eten brauchen Zeit, um Sportler zu entwickeln und sie zum Höhepunkt Olympia hin aufzubauen. Gleichzeit­ig brauchen sie aber auch jedes Jahr, ja bei jedem Wettkampf Erfolge, um im Gespräch zu bleiben. „London ist ein klarer Arbeitsauf­trag: Wir müssen stärkere Anstrengun­gen bis Tokio unternehme­n“, sagte Leichtathl­etik-Präsident Clemens Prokop. Wenn die Sportart denn größere Anstrengun­gen finanziert bekommt.

 ?? FOTO: DPA ?? Keine Medaille, aber große Ausstrahlu­ng: Hindernis-Läuferin Gesa Krause.
FOTO: DPA Keine Medaille, aber große Ausstrahlu­ng: Hindernis-Läuferin Gesa Krause.

Newspapers in German

Newspapers from Germany