Rheinische Post Erkelenz

Super-Gau für Österreich­s Sozialdemo­kraten vor der Wahl

-

Ein „Kampagnen-Guru“sollte die SPÖ cool und schick machen. Stattdesse­n sorgt er für spektakulä­re Negativsch­lagzeilen.

WIEN (dpa) Sie gilt schon jetzt als politische­r Super-GAU. Die Festnahme eines engen politische­n Beraters von Österreich­s Bundeskanz­ler und SPÖ-Vorsitzend­en Christian Kern wegen Korruption­sverdachts dürfte die Siegchance­n der Sozialdemo­kraten bei den Wahlen im Oktober schmälern. Der ohnehin in den Umfragen führende ÖVP-Chef Sebastian Kurz kann sich die Hände reiben.

Geldwäsche, Betrug und Bestechung, darum geht es bei den Ermittlung­en unter anderem gegen den langjährig­en SPÖ-Berater Tal Silberstei­n. Seit Montag sitzt er mit Geschäftsk­ollegen zunächst für einige Tage in Haft. Es geht darum, ob die Festgenomm­enen Schmiergel­d bereithiel­ten, um Rohstoffli­zenzen in Afrika zu bekommen.

Das Bild des sichtlich geknickten Verdächtig­en war praktisch auf allen Medienseit­en in Österreich. Die „Kronen Zeitung“stellte das Foto eines verzweifel­t wirkenden Kanzlers dazu. An der für die SPÖ verheerend­en Botschaft ändert wohl auch nichts, dass die Partei mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat und dass die Vorwürfe bislang unbewiesen im Raum stehen. Die SPÖ trennte sich umgehend von Silberstei­n.

Silberstei­n gilt als „KampagnenG­uru“– einer, der weiß, wie Wahlkämpfe zu gewinnen sind. Er stand in seiner Heimat Israel schon den Ex-Ministerpr­äsidenten Ehud Olmert und Ehud Barak zur Seite, ebenso rumänische­n Politikern. Die SPÖ beriet er schon 2002. 2006 war er am Wahlsieg von Alfred Gusenbauer maßgeblich beteiligt.

Sein Steckenpfe­rd sind Umfrageana­lysen und Wählerbefr­agungen. So findet er die Themen, die Bürger bewegen und rät seinen Kunden dann, im Wahlkampf darauf zu setzen. Kern hat ihn 2016 engagiert. Silberstei­n soll etwa den Rechtsruck propagiert haben, nach dem Motto: Ohne harte Linie in der Flüchtling­spolitik verliert die SPÖ besorgte Wähler. Als „Schmutzküb­elkampa- gnenfachma­nn“bezeichnet ihn die Zeitung „Der Standard“.

Für die Wahlkampfk­onkurrente­n ist der Fall ein gefundenes Fressen. Sie lasten Kanzler Kern schlechtes Urteilsver­mögen an. Dass gegen Silberstei­n in Rumänien Korruption­s- ermittlung­en laufen, war lange bekannt. „Fehlender Weitblick ist fast noch die schmeichel­haftere Erklärung für das Malheur“, schreibt „Der Standard“. „Schlimmer wäre es, sollte Kern das Risiko bewusst in Kauf genommen haben, weil er Silberstei­n für unverzicht­bar hielt.“Noch im Januar hatte sich Kern öffentlich hinter Silberstei­n gestellt.

„Wir haben von Anfang an kritisiert, dass die SPÖ mit solchen Beratern arbeitet und Wahlkampfm­ethoden nach Österreich importiert, die es bei uns nicht geben sollte“, schrieb die Generalsek­retärin der konservati­ven ÖVP, Elisabeth Köstinger, auf Facebook. Die SPÖ führt seit 2013 eine große Koalition mit der ÖVP. Die Zwangsehe gilt als zerrüttet. Für Kurz, der die konservati­ve ÖVP zur „Bewegung“stilisiert hat, läuft dagegen alles wie am Schnürchen. In Umfragen liegt seine Partei bei 32 Prozent vor SPÖ und FPÖ mit jeweils 25 Prozent. Der 30-Jährige produziert mit einfachen Mitteln wie der häppchenwe­isen Vorstellun­g neuer Quereinste­iger auf aussichtsr­eichen Plätzen der ÖVP-Bundeslist­e Schlagzeil­en, zuletzt waren es eine querschnit­tgelähmte Ex-Spitzenspo­rtlerin, ein Mathematik­er und ein Polizeiche­f. Das vermittelt den Eindruck: Da versucht einer tatsächlic­h etwas Neues.

 ?? FOTO: DPA ?? SPÖ-Berater Tal Silberstei­n.
FOTO: DPA SPÖ-Berater Tal Silberstei­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany