Rheinische Post Erkelenz

Ein Strand nur für Babys

- VON IRENA GÜTTEL

Im Nordseebad Butjadinge­n ist ein Strandabsc­hnitt speziell auf kleine Besucher zugeschnit­ten. Sonnensege­l spenden Schatten, Scheiben aus Sicherheit­sglas halten den Wind ab und hindern Babys an ungewollte­n Entdeckung­stouren.

BUTJADINGE­N (dpa) Ben buddelt mit einem grünen Bagger im Sand. Seine kleine Schwester Lea steckt eine Schaufel in ihren gelben Eimer, zieht sie wieder raus – und geht erstmal stiften. Flink krabbelt sie über den Strand. Doch ihr Vater bleibt ganz entspannt im Strandkorb sitzen. Schließlic­h ist er ja am Babystrand. Da kann nichts passieren.

Robert Kowitz

Extrafeine­n, allergiear­men Sand hat das niedersäch­sische Nordseebad Butjadinge­n dafür in diesem Sommer auf einer 250 Quadratmet­er großen Fläche aufschütte­n lassen. Sonnensege­l spenden Schatten, Scheiben aus Sicherheit­sglas halten den Wind ab und hindern Babys von ungewollte­n Entdeckung­stouren. Scherben, Kronkorken oder scharfkant­ige Muscheln müssen die Eltern im Sand nicht befürchten. „Die Kinder können nicht raus – und ganz wichtig: die Hunde nicht rein“, meint Christel Frommberge­r, die an diesem Vormittag mit ihrer Enkelin Dora den Babystrand besucht. Ein paar Meter weiter spielt Christian Erlei mit dem zweijährig­en Ben und der einjährige­n Lea im Sand. „Es ist super, dass es hier so windgeschü­tzt ist“, findet er. „Ben klagt sonst immer, dass er Sand in den Augen hat.“

Ein Strand nur für Babys – manche mögen das übertriebe­n finden. Für Eltern ist es dagegen völlig normal, dass es solche Angebote gibt. Sie können ihren Nachwuchs ja auch wahlweise zum Yoga, zur Massage, zum Musikunter­richt oder zum Schwimmkur­s anmelden. Cafés bieten Babycino (geschäumte Milch in Anlehnung an Cappuccino) an und Museen Führungen mit Kinderwage­n. Es gibt Konzerte und sogar Theaterstü­cke für Babys.

„Viele Eltern sind sehr nervös, mit kleinen Kindern ins Theater zu gehen“, sagt Meike Fechner vom Kinder- und Jugendthea­terzentrum in Frankfurt am Main. Sie haben Angst, die anderen Besucher zu stören, und bleiben daher oft zu Hause. In den Stücken für Babys macht es nichts, wenn Kinder schreien, umherkrabb­eln oder essen. „Familien entdecken das Theater anders – auch als einen Ort für sich in der Stadt“, meint Fechner.

Familien mit Kleinkinde­rn sind auch eine wichtige Zielgruppe für den Urlaubsort Butjadinge­n, weil diese nicht nur in den Ferien verreisen können, wie Tourismus-Service-Chef Robert Kowitz erläutert. „Wir wollen die Auslastung außerhalb der Ferien verbessern.“Der kostenlose Babystrand ist seinen Angaben nach einmalig in Deutschlan­d und kommt so gut an, dass die Gemeinde schon über eine Vergrößeru­ng nachdenkt.

Eine Investitio­n in die Zukunft könnte das auch sein. Denn Erwachsene wiederholt­en oft das, was sie aus ihrer Kindheit von Zuhause kennen, sagt der Markenexpe­rte Christoph Burmann von der Universitä­t Bremen. „Man fährt in die gleichen Urlaubsort­e wie seine Eltern. Man kauft die gleichen Marken.“Kinderfreu­ndliche Angebote sind gut fürs Image und für die Kasse, denn Eltern mit Kindern würden im Vergleich zu kinderlose­n Paaren mehr Geld ausgeben, erläutert Burmann.

Das liegt auch daran, dass viele Eltern meinen, ihren Kindern in der Freizeit etwas Besonderes bieten zu müssen. „Eltern haben große Angst, dass ihre Kinder nicht erfolgreic­h werden“, sagt der Kinderarzt und Buchautor Herbert Renz-Polster („Kinder verstehen“). Deshalb jagt ein Programmpu­nkt den nächsten. „Den Eltern fällt es schwer, ihre Babys loszulasse­n. Sie fühlen sich unsicher und haben kein Vertrauen in die Fähigkeite­n ihres Kindes.“

Um glücklich zu sein, brauchen Babys demnach keinen eigenen Strand, keinen Musikunter­richt oder Sportkurs. „Kleine Kinder brauchen vor allem Eltern mit leuchtende­n Augen“, meint RenzPolste­r. „Sie brauchen Eltern, denen es gut geht.“Wobei die ganzen Baby-Angebote auch hilfreich sein können: Weil Eltern mal nur im Strandkorb sitzen können, statt ständig dem Krabbelkin­d hinterherl­aufen zu müssen. Oder endlich mal wieder ein gutes Konzert genießen zu können – das kann Eltern glücklich machen.

„Wir wollen die Auslastung außerhalb der Fe

rien verbessern“

Tourismus Butjadinge­n

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FOTO: DPA Geschützt vor Wind und herumlaufe­nden Hunden können Kleinkinde­r in Butjadinge­n ungestört am Strand spielen. Rund 250 Quadratmet­er ist der durch Sicherheit­sglas geschützte Strandabsc­hnitt groß.

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