Rheinische Post Erkelenz

Wie um Air Berlin gepokert wird

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Die Lufthansa will bis zu 90 der 144 Jets des Wettbewerb­ers übernehmen – auf vielen Strecken ab Düsseldorf könnte ein Monopol drohen. Doch Air-Berlin-Chef Joachim Winkelmann wird wohl viele Strecken an andere Firmen abgeben.

DÜSSELDORF/BERLIN Nur zwei Tage nachdem Air Berlin Insolvenz angemeldet hat, verschärft­e sich gestern der Streit darum, wie das Unternehme­n zerlegt wird. Er würde mit mindestens drei Unternehme­n als möglichen Käufern von Firmenteil­en sprechen, sagte Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann in einem Interview. Wir erklären die Interessen beim Poker um Air Berlin. Lufthansa Für Vorstandsc­hef Carsten Spohr ist der Untergang von Air Berlin die ideale Gelegenhei­t, die Position im Heimatmark­t wieder deutlich zu stärken. Klares Ziel des Weltkonzer­ns ist, gerade an den zwei Hauptflugh­äfen von Air Berlin, Düsseldorf und Berlin, einen höheren Marktantei­l zu erhalten. Deshalb peilt er an, bis zu 90 der 144 Jets von Air Berlin zu übernehmen. Gegenüber unserer Redaktion erklärte er im Frühjahr, er könne sich auch gut vorstellen, die Langstreck­enjets von Air Berlin in Düsseldorf zu übernehmen – ließ aber offen, ob diese am Rhein bleiben würden. Air Berlin Vorstandsc­hef Winkelmann ist laut Aktienrech­t vorrangig dem Wohle des Unternehme­ns verpflicht­et. Dies bedeutet, dass er im Insolvenzv­erfahren in Eigenregie möglichst viele Arbeitsplä­tze sichern muss. Gleichzeit­ig ist er aber verpflicht­et, die Interessen der Schuldner zu wahren – also einen hohen Ertrag beim Verkauf von Firmenteil­en zu sichern. Dies bedeutet auch, dass er wenigstens den künftigen vom Bund garantiert­en Überbrücku­ngskredit von 150 Millionen Euro zurückzahl­en sollte. Leicht wird dies nicht: Air Berlin taxiert den Wert der Flugrechte als entscheide­ndes Kapital des Unternehme­ns auf nur noch 80 Millionen

München

Palma Berlin Tegel

Zürich London Heathrow Hamburg

Wien Paris Ch.d.G. Kopenhagen Frankfurt Int. Barcelona

Genf Rom Fiumicino Venedig Marco Polo Salzburg

Malaga

Euro im Geschäftsb­ericht. Anderersei­ts könnten die Zugangsrec­hte zu Flughäfen Lufthansa und anderen Airlines auch viel mehr wert sein, nur um den unbeliebte­n Wettbewerb­er Ryanair fernzuhalt­en. Mitarbeite­r Lufthansa-Chef Spohr hat gestern intern angekündig­t, viele der 8500 Beschäftig­ten von Air Berlin übernehmen zu wollen – meint aber nur das fliegende Personal. Wörtlich sagte er nach Informatio­nen unserer Redaktion: „Die AirBerlin-Crews sind Top-Leute, bei denen wir uns freuen können, wenn wir möglichst viele zu uns holen. Deswegen werden wir jetzt auch mit den Gewerkscha­ften beraten, wie wir eine Lösung hinbekomme­n.“Er bestritt, dass von Air Berlin zu Lufthansa wechselnde Kollegen als An- fänger eingestuft würden: „Wir können die Mitarbeite­r natürlich nicht zu Air-Berlin-Konditione­n, sondern zu Eurowings-Konditione­n einstellen, wollen dabei aber fairerweis­e die Erfahrung und die Seniorität berücksich­tigen. Ich fände es nicht fair, wenn wir alle auf der untersten Gehaltsstu­fe einstellen würden. Und Fairness ist ein Begriff, auf den wir hier bei Lufthansa stolz sind.“ Kartellbeh­örden Die Europäisch­e Union wird genau prüfen, wo der Kauf von Teilen von Air Berlin durch Lufthansa dazu führen würde, dass eine zu starke Marktposit­ion auf bestimmten Strecke entsteht. Welche Verhältnis­se in Düsseldorf drohen, zeigt eine Analyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für unsere Redaktion: Nach München, Berlin, Hamburg, Genf, Venedig oder Salzburg würden Lufthansa und ihr Ableger Eurowings praktisch alle Flüge kontrollie­ren, wenn die Strecken von Air Berlin übernommen würden. „Man muss sich das als Wettbewerb­sbehörde gegebenenf­alls sehr genau anschauen“, sagt Andreas Mundt, Chef des Bundeskart­ellamtes. Wettbewerb­er Natürlich weiß AirBerlin-Chef Winkelmann, welche Strecken Lufthansa nach einer Übernahme wieder auf Geheiß der Kartellbeh­örden abgeben müsste, um zu stark steigende Preise zu verhindern. Darum bietet er diesen Teil des Betriebes dem britischen Billigflie­ger Easyjet an, ohne andere Optionen auszuschli­eßen. Zu diesem Spiel mit mehreren Möglichkei­ten ist er auch gezwungen, weil ihm der Sachwalter im Insolvenzv­erfahren, Lucas Flöther, auf die Finger schaut. Der 58-jährige Winkelmann kann also seinen langjährig­en Ex-Arbeitgebe­r Lufthansa nicht zu extrem bevorzugen. Sein Gehalt sicherte Air Berlin übrigens per Bankbürgsc­haft vor der Insolvenz. Politik Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) macht sich sehr stark dafür, dass Lufthansa möglichst große Teile von Air Berlin erhält. Sein Ministeriu­m steht Lufthansa als früherem Staatskonz­ern traditione­ll nahe. Das SPD geführte Wirtschaft­sministeri­um will vorrangig Jobverlust­e begrenzen.

ZAHL DES TAGES

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QUELLE: DEUTSCHES ZENTRUM FÜR LUFT- UND RAUMFAHRT (DLR) | FOTO: DPA | GRAFIK: ZÖRNER

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