Rheinische Post Erkelenz

Songs wie gute Literatur

- VON DIRK WEBER

Kettcar und Thees Uhlmann feiern zusammen Ü40-Party in Düsseldorf.

DÜSSELDORF Es passiert nicht oft, dass eine Vorband mit demselben Überschwan­g gefeiert wird wie der eigentlich­e Hauptact – in diesem Fall Thees Uhlmann. Früher war er Sänger bei Tomte. Nun spielte er mit seiner Band im Zakk und hatte einen „Very Special Guest“im Schlepptau. Es war ein offenes Geheimnis, dass es sich bei den ominösen Einheizern um Kettcar handeln würde. Das Konzert war seit Langem ausverkauf­t.

Die Plattenfir­ma Grand Hotel van Cleef, das Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch zusammen mit dem Bassisten Reimer Bustorff und Uhlmann vor 15 Jahren gegründet hat, lud zur gitarrenla­stigen Vor-Geburtstag­sparty. Die eigentlich­e Sause steigt heute Abend auf dem Hamburger Großmarkt: vor 10.000 Fans. Der Auftritt in Düsseldorf war als Warm-up gedacht. Gleichzeit­ig fei- erten Kettcar ihr Comeback. Seit fünf Jahren ist die Band nicht mehr live aufgetrete­n. Erst vor wenigen Tagen erschien ihre neue Single „Sommer ’89 (Er schneidet Löcher in den Zaun)“, eine Art SpokenWord-Performanc­e zur Flüchtling­sdebatte. „Ein Song wie gute Literatur“, urteilte Schriftste­llerin Juli Zeh. Am 13. Oktober erscheint das dazugehöri­ge Album „Ich vs. Wir“.

„Ihr seid das beste Publikum, das wir je hatten“, nuschelte Wiebusch schon nach dem zweiten Stück ins Mikrofon, bevor er den „EmoBlock“einläutete: drei Liebeslied­er in Folge. Zwischendu­rch blickte er immer wieder ein wenig sorgenvoll in die Menge, als wollte er sich vergewisse­rn, dass seine Band auch wirklich willkommen ist. Eine spontane Blitzumfra­ge per Handzeiche­n ergab, dass lediglich drei der gut 800 Anwesenden ausschließ­lich wegen Thees Uhlmann gekommen waren. Als ein Fan nach jedem Lied „Kett- car“skandierte, erwiderte Wiebusch trocken: „Ich geb’ dir zehn Euro, wenn du damit aufhörst. Das ist nicht unser Style.“Als die Band das letzte Mal im Zakk zu Gast war, erzählte Bustorff, habe es anschließe­nd eine Ü40-Party gegeben. „Am Ende lagen wir uns betrunken in den Armen und haben zu ,Sunday Bloody Sunday‘ von U2 getanzt.“

Eine Ü40-Party gab es auch diesmal. Thees Uhlmann, 42, neuerdings auch Buchautor, spielte sich durch seine größten Solo-Hits, coverte die Toten Hosen („Liebeslied“) und widmete „Lat 53.7 Lon 9.11677“seinen Freunden von Kettcar. Überhaupt schäumte er über vor Spielfreud­e: Er zappelte und tänzelte und reckte beide Fäuste in die Luft, als wollte er jedem Einzelnen für sein Kommen danken. Nach fast anderthalb Stunden war seine Jeansjacke völlig durchnässt, und der Sänger kniete erschöpft vor seinen Fans. „Ich komme wieder“, schrie er.

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