Rheinische Post Erkelenz

Katzem schon Tausende Jahre besiedelt

- VON ANDREAS SPEEN

Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Erkelenzer Dorf vor 1200 Jahren – Archäologe­n fanden jetzt Zeugnisse der „Michelsber­ger Kultur“, der frühen Eisenzeit und einer großen römischen Besiedelun­g mit Fundamente­n aus Stein.

ERKELENZ In Katzem entstehen ab dem nächsten Jahr 20 bis 25 Häuser auf historisch bedeutende­m Gelände. Bevor das Baugebiet ab September erschlosse­n wird, wurde das 1,4 Hektar große Areal zwischen der Jägerstraß­e und der Straße In Katzem vier Monate von Archäologe­n untersucht. „Wir hätten nicht damit gerechnet, die Keimzelle Katzems auszugrabe­n“, verkündete gestern Ansgar Lurweg, Technische­r Beigeordne­ter der Stadt Erkelenz.

Urkundlich verbrieft ist für das 1155-Einwohner-Dorf im Südosten vor Erkelenz eine 1200-jährige Historie. Dass die Geschichte des Ortes weiter zurückreic­ht, stellte Archäologi­n Martha Aeissen vor, die diese Ausgrabung für die Bonner Fachfirma ArchaeoNet leitet. „Wir können keine durchgehen­de Besiedlung belegen, haben allerdings Ausgrabung­en aus drei Epochen machen können“, erklärte Aeissen. „Aus der Zeit zwischen 4300 und 2800 vor Christus haben wir einige wenige Funde gemacht, zu denen das Bruchstück eines Feuerstein­balls, ein Gefäß mit Ösen und ein Backteller gehören. Es handelt sich um die Zeit der jungneolit­hischen , Michelsber­ger Kultur’, die der Archäologi­e noch ziemlich unbekannt ist.“Die zweite über Fundstücke belegte Siedlung im Gebiet des heutigen Katzems stammt aus der vorrömisch­en Eisenzeit. Bei den Grabungen stießen die Archäologe­n auf Siebgefäße und Keramikfra­gmente, die sie zwischen 800 und 450 vor Christus datieren konnten. „Erdverfärb­ungen geben uns außerdem Hinweise auf Bauten in diesem Gebiet“, erläuterte Aeissen.

Somit haben bereits vor 4800 bis 6300 Jahren Menschen in Katzem gelebt. Dass Katzem auch zwischen 1. und 4. Jahrhunder­t nach Christus belebt war, konnten die Archäologe­n außerdem noch belegen. „Hier haben wir nicht die gefühlt 1000. römische Villa im Erkelenzer Land ausgegrabe­n, sondern eine ganz besondere“, betonte Aeissen. Dass die Villa Rustica bis ins vierte, vielleicht sogar fünfte Jahrhunder­t Bestand gehabt habe, sei selten: „Dafür gibt es nur wenige Fundstelle­n.“Nicht oft treffen Archäologe­n laut Aeissen im Rheinland ferner auf Steinfunda- mente: „Wir konnten solche hier an mehreren Stellen freilegen, vor allem wurden Liedberger und Eifeler Sandstein verbaut.“Verfüllte Pfostenlöc­her weisen zudem auf hölzer- ne Vorgängerb­auten hin.

Gestoßen sind die Archäologe­n in Katzem auf eine größere Hofanlage mit mindestens einem Brunnen aus dem 2. oder 3. Jahrhunder­t, mit ei- nem Hauptgebäu­de, das sich möglicherw­eise unter Nachbargru­ndstücken fortsetzt, und mit einer Darre. Aeissen erklärte: „Das erste Gebäude war elf mal 22 Meter groß und wurde auf mächtigen Holzpfoste­n von 50 Zentimeter­n Durchmesse­r errichtet. Auszugehen ist von einer Hoffläche von mindestens 1,6 Hektar. Highlight der Grabungen ist aber die Darre, bei der es sich um einen Trockenofe­n zum Konservier­en von Getreide, Hülsenfrüc­hten und Obst handelt.“Vermehrt seien diese im 3. Jahrhunder­t errichtet worden, als sich das Klima verschlech­terte. Zu finden seien Darren häufiger in Süddeutsch­land, seltener im Rheinland: „Diese Darre war 4,50 mal vier Meter groß.“Gefunden worden seien davon Fundamentr­este, Bodenplatt­enziegel, runde Ziegel und Bruchstück­e von Wandziegel­n. „Das macht das Besondere dieser Villa Rustica aus.“

„Highlight ist die Darre, bei der es sich um einen

Trockenofe­n zum Konservier­en handelt“

Martha Aeissen

Zu den weiteren Fundstücke­n gehören etwas feines Tafelgesch­irr und Fragmente von bestem römischen Geschirr, eine bronzene Geschosssp­itze, die sich in einem Ofen befand, sowie Münzen. Gerade vergangene Woche sind Aeissen und ihre Kollegen noch einmal mit einem Metalldete­ktor über das Areal gegangen, damit das jetzt für neue, der heutigen Zeit gemäße Häuser vorbereite­t werden kann. Alle ihre Fundstücke werden derweil gewaschen, datiert, beschrifte­t und mit einem Bericht an das Rheinische Landesmuse­um sowie das Rheinische Amt für Denkmalpfl­ege übergeben. „Wir bekommen einen Abschlussb­ericht für unser Stadtarchi­v“, erklärte Lurweg. So könnten sich irgendwann einmal weitere Historiker mit dem Thema, der ausgedehnt­en Dorfgeschi­chte von Katzem, beschäftig­en.

 ?? RP-FOTO: JÜRGEN LAASER ?? Archäologi­n Martha Aeissen stellte gestern die Funde im künftigen Katzemer Neubaugebi­et vor. Dort wurden Fundamentr­este eines römischen Gutshofs gefunden. Aeissen stieß aber auch auf jungneolit­hische Fundstücke: „Früh wurde die günstige Lage oberhalb...
RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Archäologi­n Martha Aeissen stellte gestern die Funde im künftigen Katzemer Neubaugebi­et vor. Dort wurden Fundamentr­este eines römischen Gutshofs gefunden. Aeissen stieß aber auch auf jungneolit­hische Fundstücke: „Früh wurde die günstige Lage oberhalb...

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