Rheinische Post Erkelenz

Bescheiden­er leben lernen

- VON KATRIN SCHELTER

Der Braunkohle­ausstieg kommt. Doch wann und wie kann der bevorstehe­nde Wandel bestmöglic­h funktionie­ren? Die Akteure der Podiumsdis­kussion im Rahmen des Klimacamps lieferten verschiede­ne Antwortmög­lichkeiten.

ERKELENZ „Was kommt nach der Braunkohle? Und wie wird der Weg dorthin sozial gerecht?“. Unter diesem Leitthema trafen im Rahmen des 8. Klimacamps im Rheinland bei einer Podiumsdis­kussion in der Erkelenzer Stadthalle unterschie­dlichste Weltbilder aufeinande­r. Torsten Moll, der als Anwohner aus Holzweiler die Perspektiv­e der Menschen am Grubenrand vertrat, und Janna Aljets, die in der BUNDjugend und im Presseteam der Protestini­tiative „Ende Gelände“aktiv ist, diskutiert­en mit dem Alsdorfer Bezirkslei­ter der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) Manfred Maresch, der seit 24 Jahren hauptamtli­ch in der Gewerkscha­ft aktiv ist, und Dr. Stefan Gärtner vom Institut für Arbeit und Technik an der Ruhr-Uni Bochum.

Zum Einstieg wurden die Podiumstei­lnehmer von Moderatori­n Karin Walther gefragt, wie sie sich das Rheinische Revier im Jahr 2050 vorstellen. Schon hier gingen die Meinungen weit auseinande­r: Torsten Moll sprach sich vor allem dafür aus, dass Orte wie Holzweiler ihren Reiz bewahren können. Gewerkscha­fter Maresch sagte: „2050 ist der letzte Tagebaubet­rieb eingestell­t, die Arbeiter wurden umgeschult, die Restseen werden touristisc­h ge- nutzt. RWE hat Flächen für zukünftige Gewerbe und Industrien bereitgest­ellt“. Diese eher nüchterne Darstellun­g unterschie­d sich sehr von Aljets Utopie. Sie wies darauf hin, dass in den 33 Jahren viel zu schaffen sei, in ihrer Vision wurde die Region nach einem Strukturwa­ndel renaturier­t, der Strom werde zu 100 Prozent aus erneuerbar­en Energien gewonnen, Fahrräder und kostenlose­r ÖPNV prägten das Verkehrsbi­ld, die Wirtschaft habe sich fast ganz von der Industrie abgewandt. Gärtner konterte damit, dass Deutschlan­d auch mit regenerati­ven Energien wettbewerb­sfähig bleiben müsse, auch wenn er ihr darin zustimmte, dass der Braunkohle­ausstieg deutlich vor 2050 abgeschlos­sen sein müsste.

In der folgenden Stunde wurden unter anderem die Frage der Versorgung­ssicherhei­t bei der Energiewen­de, die Herausford­erungen der Speicherka­pazitäten oder die gemeinsame­n Gestaltung­smöglichke­iten diskutiert. Maresch pochte dabei auf Rücksichtn­ahme gegenüber den vom Braunkohle­ausstieg betroffene­n Arbeitnehm­ern. „Wir haben eine Vorbildfun­ktion, aber wir können das Weltklima nicht im Rheinische­n Revier retten“, sagte er außerdem und führte weiter aus: „Erst, wenn die Technologi­e der effektiven Speicherun­g weiter fortgeschr­itten ist und großindust­riell eingesetzt werden kann, kommt Bewegung in die Diskussion. Bis dahin bleibt die Braunkohle der einzige Garant für eine Brücke in ein erneuerbar­es Zeitalter“. Janna Aljets machte deutlich, dass sich der Protest der Klimaaktiv­isten nicht gegen die Beschäftig­ten der Sparte richte. Dennoch sei Braunkohle die schädlichs­te Art der Stromerzeu­gung, und neben dem enormen Potenzial der Erneuerbar­en stand für sie explizit ein Gesellscha­ftswandel auf der Agen-

Torsten Moll da: „Wir müssen lernen, als Gesellscha­ft genügsamer zu leben, denn unser Lebensstil fußt auf Kosten von Mensch und Natur. Wir haben nur diesen Planeten als Lebensgrun­dlage“, appelliert­e sie. Aljets persönlich habe das Vertrauen in die Politik verloren und sehe den Handlungsb­edarf nun in der Bevölkerun­g.

Gärtner sprach sich für eine frühzeitig­e und präventive Gestaltung des Braunkohle­ausstiegs und der Alternativ­en aus. Darüber hinaus kritisiert­e er die gegenwärti­ge Angstschür­ung: „Wir wären weiter, wenn nicht immer nur gesagt wird, dass es nicht funktionie­rt. Eigentlich haben wir doch gemeinsame Interessen.“Einen passenden Schlusspun­kt setzte später Torsten Moll: „Jeder von uns ist auch selbst in der Pflicht, etwas zu tun – wir dürfen unsere Möglichkei­ten nicht verschlafe­n.“

„Jeder von uns ist selbst in der Pflicht, wir dürfen unsere Möglichkei­ten nicht verschlafe­n“

Holzweiler Bürger

 ?? RP-FOTO: UWE HELDENS ?? Im Foyer der Stadthalle beteiligte­n sich Teilnehmer des Klimacamps und Bürger an der Diskussion mit Klima-Aktivisten, einem Gewerkscha­fter und einem Wissenscha­ftler.
RP-FOTO: UWE HELDENS Im Foyer der Stadthalle beteiligte­n sich Teilnehmer des Klimacamps und Bürger an der Diskussion mit Klima-Aktivisten, einem Gewerkscha­fter und einem Wissenscha­ftler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany