Rheinische Post Erkelenz

Literarisc­her Sommer: Lachsalven im Büro-Verlies

- VON DIRK RICHERDT

Ronny Tomiska las im Carl-Brandts-Haus aus dem Monumental­roman des verstorben­en Autors J. J. Voskuil.

Mehr als 5000 Seiten zählt das siebenbänd­ige Epos dieses Mannes, der posthum in den Niederland­en zum Kultautor avancierte. Die Rede ist von J. J. (Johannes Jacobus) Voskuil (1926-2008). Der Schriftste­ller hat einen Großteil seines Berufslebe­ns in einem Amsterdame­r Volkskunde-Institut gearbeitet. Seine Erinnerung­en wurden ihm zum unerschöpf­lichen Quell seiner Erzählleid­enschaft. Zum dritten Mal nah-

Institutsd­irektor Beerta men die Veranstalt­er des Literarisc­hen Sommers Voskuils Roman „Das Büro“ins Programm.

Der siebenbänd­ige Roman liegt auf Deutsch bis zum Band 3, „Plankton“, vor. Sein Übersetzer, Gerd Busse, war bei der Lesung in den „Katakomben der Zentralbib­liothek“zugegen, wo Ronny Tomiska, preisgekrö­nter Mime im Dienst des Theaters Krefeld und Mönchengla­dbach, Passagen aus dem Band vortrug. Dabei verlieh der Schauspiel­er als Rezitator den Protagonis­ten so beredsame Charakters­tim- men, dass es eine Lust war, ihm zuzuhören. So lebenspral­l, kraftvoll und stimmlich variabel können ja die wenigsten Autoren eigene Schriften vortragen. Und so fordern wir die Macher des Literarisc­hen Sommers, voran Maren Jungclaus vom Literaturb­üro NRW, schon jetzt nachdrückl­ich auf: Setzt die Ringlesung aus „Das Büro“bitte im nächsten Sommer mit Band vier fort! Und zwar wieder mit Ronny Tomiska. Gerd Busse ist gerade dabei, die Übersetzun­g fertigzust­ellen. „Der Autor hat sein Riesenopus in viereinhal­b Jahren geschriebe­n; ich habe allein für das Übersetzen bisher schon zehn Jahre gebraucht“, gab er zu. Wie Moderatori­n Jungclaus im Magazinrau­m der Zentralbib­liothek berichtete, habe es schon Anfragen aus China gegeben, das Buch ins Mandarin zu übersetzen. Vielleicht, so spekuliert­e Jungclaus, weil das Buch vom Druck in einer geschlosse­nen Arbeitswel­t handle und so zur chinesisch­en Alltagserf­ahrung passe.

Auf jeden Fall blitzt der Schalk, lugt kafkaesk-hintergrün­diger Humor aus fast jedem Absatz dieses Werks, dessen skurriler Dialogscha­tz sich einer nüchternen Zusammenfa­ssung hartnäckig verweigert. Ohne das Buch zu lesen oder Texte daraus zu hören, begreift man kaum, wieso etwa das verbale Duell der Zentralfig­ur, des Volkskunde­forschers Maarten Koning, mit seiner zänkischen Ehefrau Nicolien über die „Schwachköp­figkeit“von Arbeitseth­os weit über Kabarett-Niveau liegt.

Und doch wird die zum Lachen animierend­e Satire immer wieder von tödlichem Ernst untergrabe­n.

„Damals war nichts erlaubt – das war eine

schöne Zeit“

Sucht man eine Geistesver­wandtschaf­t zum Schaffen eines deutschen Autors, so fällt einem am ehesten Loriot ein. Einmal lässt Voskuil den Institutsd­irektor Beerta seufzend feststelle­n. „Damals war nichts erlaubt – das war eine schöne Zeit.“Wieder antwortet das Publikum mit einer Lachsalve.

 ?? RP-FOTO: DETLEF ILGNER ?? Der Voskuil-Übersetzer Gerd Buss (Mitte), flankiert von Moderatori­n Maren Jungclaus und Schauspiel­er Ronny Tomiska.
RP-FOTO: DETLEF ILGNER Der Voskuil-Übersetzer Gerd Buss (Mitte), flankiert von Moderatori­n Maren Jungclaus und Schauspiel­er Ronny Tomiska.

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