Rheinische Post Erkelenz

SCOOTER Für immer „Hyper Hyper“

- VON STEFAN PETERMANN

Die deutsche Band mit den meisten Top-Ten-Singles hat ein neues Album veröffentl­icht, das so klingt wie alle Alben zuvor. Am Erfolg wird das nichts ändern. H.P. Baxxter und Scooter machen stoisch ihr Ding, ob sie dafür gefeiert oder geschmäht werden.

Letztens spielten Scooter ein Konzert auf der Krim. Nun ermittelt die ukrainisch­e Staatsanwa­ltschaft gegen die Band. Im Prinzip könnte der Text an dieser Stelle schon zu Ende sein. Denn mehr Relevantes lässt sich über Scooter 2017 nicht sagen. Sicher – neue Single, neues Album, neue Tour. Aber das ist keine Nachricht, das ist ein Dauerzusta­nd. Scooter 2017 sind die Scooter von 2006 sind die Scooter von 1995. Die Zeit gefroren, H.P. Baxxters Haare mit dem gleichen raspelkurz­en Wasserstof­fperoxidbl­ond wie immer; die aktuelle Single „Bora Bora Bora“muss deshalb genauso klingen wie „I Like it Loud“von 2003, Döp döp döp dödödöp döp döp als ewiger Loop.

Wer hätte Mitte der 90er Jahre ernsthaft angenommen, dass von all den Eurodanceb­ands dieser Dekade 25 Jahre später ausgerechn­et Scooter noch Bestand haben würden? Seither hat das Trio sie alle stoisch ertragen; die empörten Verrisse, die ironischen Huldigunge­n, alle feuilleton­istischen Versuche einer originelle­n Kulturkrit­ik, sämtliche Superlativ­e dazu – deutsche Band mit den meisten Top-Ten-Singles, dreißig Millionen verkaufte Platten, Band mit den meisten Auftritten bei Gülcan Kamps Hochzeit.

Begonnen hatte sie mit Remixen von Marky Mark und RuPaul. Dann kam mit „Hyper Hyper“der Erfolg und von da an war die einzige stetige Veränderun­g der regelmäßig­e Austausch von Bandmitgli­edern. Scooter sind deshalb als Scooter sofort zu erkennen, weil jedes ihrer Stücke dem gleichen Muster folgt: Ein bekannter Song wie „Rebel Yell“oder „Wonderful Life“wird mit einem Technobeat jenseits der 160 bpm unterlegt, in der Strophe ruft H.P. Baxxter Parolen und der Refrain findet im eingespiel­ten Publikumsc­hor ein ekstatisch­es Echo.

Neben diesem immer gleichen Schema ist Baxxter die zweite wichtige Konstante im Scooter-Universum. Hans Peter Geerdes, der Dorian Gray des Hardtrance, der mit der gleichen Verve wie 1995 das Mikrofon so hält, als würde er nicht in die Welt, sondern in die eigene Hand schreien, Zeilen wie „Respekt für den Mann im Eiswagen“, „Kannst du die Sonne riechen?“und „Ich bin der Pferdemann, ich bin mental verrückt“. Er ist jemand, der sich als MC der alten Schule begreift und in der „Spex“über diese Tradition reflektier­en kann, der auch schon für ein Hörbuch Texte von Thomas Bernhard einlas und der „Zeit“dazu ein Interview gab.

Details wie diese machen ein Andocken einfach für alle, die für das Abfeiern von Scooter eine intellektu­elle Erlaubnis brauchen. Die denken sich H.P. und Scooter schlau, in- dem sie die Band als Camp betrachten, als eine um die eigene irre Künstlichk­eit wissende Poolparty im Stahlbad. Man gönnt sich Scooter, so wie man sich den verrückten Freund gönnt, der immer noch den gleichen Scheiß macht wie beim Abi, während man selbst schon ein Eigenheim besitzt. Ein bisschen Proleten Halli-Galli, Döp Döp Döp als Schlachtru­f für alle, die auch ironisch ein Bud-Spencer-Shirt tragen.

Ähnlich wie bei Helene Fischer ist ein entscheide­nder Grund für Scoo- ters Erfolg nicht Talent, Geschmack oder Originalit­ät, sondern Disziplin. Alle zwei Jahre eine neue Platte, dazwischen halten Best-ofs, Special Editions oder Livealben die Energie oben, immerfort Konzerte mit viel Pyro, ein Leben im Rhythmus eines Technobeat, der auf den Sekundenbr­uchteil genau drischt, hart, laut, präzise. Der Takt darf nicht gebrochen werden, jede Abweichung, jedes Nachlassen wird mit Nichtbeach­tung bestraft, die Gleichen fordern das Gleiche wieder und wieder und wieder. Scooter zu hören ist wie Red Bull zu trinken: Jede Dose muss auf identische Weise knallen.

Scooter wissen das alles und preisen auch das Ironisiere­n mit ein. Es gibt natürlich Dinge, die der Band wichtig sein könnten, The KLF vielleicht, das britische Duo, das Anfang der 90er Jahre Kunst und Mainstream vermischte­n, die eine Millio- nen Pfund als Happening verbrannte­n und den Ratgeber „Der schnelle Weg zum Nr.1-Hit“schrieben. Keine andere Band haben Scooter öfter gecovert und wahrschein­lich kein Buch öfter gelesen. Auch der scheinbar dadaistisc­he Eiswagensp­ruch ist eine Referenz an eine Aktion von KLF, bei der ein Eisverkäuf­er Bier an Obdachlose verschenkt­e.

„Forever“heißt das 19. Album von Scooter. Ein angemessen­er Titel, denn wenn Scooter etwas sind, dann dauerhaft.

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FOTO: DPA Der immergleic­he Look, das immergleic­he Schema, der immergleic­he Erfolg: H.P. Baxxter ist der Kopf der Band Scooter, die mit einer Idee seit mehr als 20 Jahren rund 30 Millionen Platten verkauft haben.

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