Rheinische Post Erkelenz

Tödliche Stille auf dem Meer: Tagebuch eines Flüchtling­s

- VON ANNA RINGLE

(dpa) Asylsuchen­de, die sich auf waghalsige Bootsfahrt­en von Afrika nach Europa einlassen, sind alltäglich­e Nachrichte­nbilder geworden. Der deutsche Regisseur Jakob Preuss begab sich nach Nordafrika, um auf Spurensuch­e an den Grenzen Europas zu gehen. Er traf den Kameruner Paul in einem provisoris­chen Camp und machte ihn zum Gesicht seines Dokumentar­films. „Als Paul über das Meer kam“zeigt im Strudel von Behördengä­ngen, langem Warten und viel Bangen eines: den Menschen.

„Ich werde wohl nie sagen können, ob er mich ausgesucht hat oder ich ihn.“Preuss ist im Film so gut wie nicht zu sehen, aber seine Stimme kommentier­t den Verlauf, und er stellt dem Protagonis­ten immer wieder Fragen. Pauls Odyssee von Kamerun nach Brandenbur­g hat der Filmemache­r wie ein Tagebuch gegliedert.

Paul lebt mit weiteren Landsleute­n mitten in den Wäldern in einem Camp in Nordafrika – sie alle warten auf die Überfahrt nach Europa. Wann es soweit sein wird, ist unklar. „Man muss sich immer bereithalt­en. Beim Schlafen hat jeder Weste oder Schwimmrin­g bei sich“, sagt der über 30-Jährige. Irgendwann erzählt Paul in die Kamera, warum er aus Kamerun wegging. „Ich will nur das Minimum, das ging zuhause nicht.“Von der Uni sei er geflogen, weil er mit anderen streikte.

Die Bootsfahrt über das Meer hinterläss­t bei ihm und anderen Männern Spuren, weil auf dem Wasser Menschen starben. Knapp erzählen die Überlebend­en Preuss, was sie erlebt haben. Es sind die stillen Blicke der Männer, die die Schwere ihres Schicksals transporti­eren.

Immer wieder kommt Preuss an den Punkt, dass er sich fragt, inwieweit er Paul auf seiner Reise durch Spanien, Frankreich und Deutschlan­d helfen soll und wann er lieber nur eine Beobachter­rolle einnimmt. Paul zieht schließlic­h zu Preuss’ Eltern. Aber seine Zukunft ist ungewiss. Der Dokumentar­film ist schon fertig, als der Filmverlei­h bekannt gibt, dass Pauls Asylbesche­id abgelehnt wurde. Gegen die Entscheidu­ng klagte sein Anwalt.

– Deutschlan­d 2017 , Regie: Jakob Preuss, mit Paul Nkamani, 97 Minuten

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