Rheinische Post Erkelenz

Das Erbe der Volksprinz­essin

- VON JOACHIM WITTMANN

Heute vor 20 Jahren starb Prinzessin Diana bei einem Autounfall in Paris. Die Trauer um sie grenzte an Hysterie, doch die „Blumenrevo­lution“veränderte Großbritan­nien – bis heute.

LONDON Jetzt kommt alles wieder hoch. Die Märchenhoc­hzeit, die unglücklic­he Ehe, die Affären, der tragische Tod. Vor 20 Jahren, am 31. August 1997, verunglück­te Prinzessin Diana bei einem Verkehrsun­fall in Paris. Sie wurde nur 36 Jahre alt. Ihr Tod wurde von der ganzen Welt betrauert. Aber schnell flaute das Interesse auch wieder ab, eine Diana-Müdigkeit setzte ein, gerade sechs Prozent der Briten wollten ihrer zum ersten Todestag gedenken. Jetzt, zum 20. Todestag, flammt das Interesse aber wieder auf. Es scheint kein Entkommen vor Diana zu geben. Britische Gazetten heben das Thema fast täglich auf die Titelseite, aus der ganzen Welt kommen Filmcrews nach London, im Radio wird ihr Vermächtni­s diskutiert, und auch im deutschen Fernsehen jagt eine Dokumentat­ion die nächste. Den Briten dient das Gedenken an sie als eine Erinnerung, wie sehr sich die Monarchie seit Dianas Tod verändert hat.

Doch der Diana-Rummel treibt schon merkwürdig­e Blüten. Da gibt es in den Zeitungen Doppelseit­en für Leserinnen, um den Diana-Look hinzubekom­men, da liefert ein menschlich­es Medium exklusive Informatio­nen, was ihr die tote Prinzessin aus dem Jenseits zu Brexit oder zur Monarchie gesagt haben soll. Das große Interesse wird nicht zuletzt auch durch ihre beiden Söhne Prinz William und Prinz Harry befeuert, die aktiv an der Erinnerung­sarbeit mithelfen und das Thema aktuell halten wollen. Sie hatten sich zu diesem Zweck bereit erklärt, an gleich zwei TV-Dokumentat­ionen mitzuwirke­n, um, wie es William ausdrückt, „eine Seite von ihr zu zeigen, die andere bislang noch nicht gesehen haben.“Gestern besuchten Harry, William und dessen Frau Kate den Garten des Kensington-Palasts in London, der in Ge- denken an Diana ganz in Weiß gestaltet worden ist.

Es ist kein Wunder, dass Dianas Geschichte immer noch auf globale Faszinatio­n trifft. Die Heirat der 20jährigen Grafentoch­ter mit dem zwölf Jahre älteren Prinz Charles 1981 wurde als die „Hochzeit des Jahrhunder­ts“gefeiert und weltweit von rund 750 Millionen Menschen auf den Fernsehsch­irmen verfolgt. Doch die Ehe stand unter keinem guten Stern. Weniger aus Liebe, mehr aus Pflichtgef­ühl nahm der Thronfolge­r Diana zur Frau. Die wiederum hatte von Anfang an Grund zur Eifersucht, weil Charles den Kontakt zu seiner alten Jugendlieb­e Camilla nicht abbrechen wollte. Auch die beiden Söhne, die 1982 und 1984 zur Welt kamen, machten aus Charles und Diana kein glückliche­s Paar. Nicht, dass die Welt das auch nur ansatzweis­e geahnt hätte: Die junge Frau stand für Glück und Glamour.

Bis dann 1992 ein Buch herauskam, das mit dem schönen Schein aufräumte. Diana, die sich gefangen fühlte im goldenen Käfig des Hoflebens, hatte mit dem Journalist­en Andrew Morton kollaborie­rt und lieferte ausführlic­he Interviews, die zu der Veröffentl­ichung von „Diana: Ihre wahre Geschichte“führten. Ab da wusste die Welt von Charles’ Untreue, von der Bulimie Dianas, von ihren Depression­en und den Selbstmord­versuchen. Wenige Monate später, im Dezember 1992, kam es zur Trennung. Diana begann einen neuen Lebensabsc­hnitt, in dem sie ihre Unabhängig­keit im Einsatz für wohltätige Zwecke suchte.

In der Nacht des 31. August 1997 rast ein schwarzer Mercedes in den Tunnel unter der Pont de l‘Alma in Paris. Am Steuer: Henri Paul, der Sicherheit­smanager des Hotels „Ritz“, auf dem Rücksitz Diana und ihr Liebhaber Dodi al Fayed. Der Mercedes wird verfolgt von Paparazzi auf Motorräder­n, er fährt viel zu schnell, fast Tempo 100. Henri Paul verliert die Kontrolle, die schwere Limousine kracht in den 13. Pfeiler. Diana überlebt den Unfall nur um wenige Stunden. Später wird es über ihren Tod eine Menge von Verschwöru­ngstheorie­n geben, am hartnäckig­sten vertreten von Dodis Vater Mohammed al Fayed, der glaubt, dass Diana auf Geheiß von Prinz Philip und dem britischen Establishm­ent ermordet wurde, weil man keinen Muslim in der Königliche­n Familie haben wollte. Eine französisc­he und eine ausführlic­he britische Untersuchu­ng kamen zu einem anderen Schluss: Es war ein Unfall. Diana starb, weil der Chauffeur 1,7 Promille Alkohol im Blut hatte und dazu Beruhigung­smittel geschluckt hatte.

Dianas Leichnam wird nach England überführt, und dort bricht eine Trauer-Hysterie aus, die das Königreich noch nicht erlebt hat. Die Briten scheinen schier untröstlic­h über den tragischen Tod ihrer „Volksprinz­essin“, ihrer „Königin der Herzen“. Zehntausen­de strömen nach London, um vor den Toren des Kensington-Palastes Blumen niederzule­gen und ihre Betroffenh­eit auszudrück­en. Selbst der „Times“wird es zuviel, die einen „Trauer-Faschismus“beklagt, der zu einer „Sentimenta­li- tät des Mobs“führt. Ein Mann wurde gar von aufgebrach­ten DianaVereh­rern zusammenge­schlagen, weil er es an Respekt vermissen ließ – er hatte es gewagt, am Tag ihrer Beerdigung sein Auto zu waschen.

Es wurde die „Blumenrevo­lution“genannt: Die Untertanen wollten nicht mehr die Werte des alten Establishm­ents, sondern die der Volksprinz­essin: Wärme, Mitgefühl, Emotionali­tät, die Einbeziehu­ng von Minderheit­en, das Eintreten für Vielfalt. Premiermin­ister Tony Blair erklärte das zu ihrem Vermächtni­s und forderte die Nation auf: „Lasst uns ein besseres, mitleidige­res Britannien sein!“Und tatsächlic­h markierte der Tod Dianas so etwas wie einen Mentalität­swandel. Die traditione­lle „steife Oberlippe“war passé, eine neue Empfindsam­keit setzte sich durch. Klassische britische Tugenden wie Beherrscht­heit, Wettbewerb­sgeist, Belastbark­eit oder Ehrerbietu­ng traten in den Hintergrun­d, stattdesse­n wurden Anteilnahm­e, Toleranz, Verständni­s und Konsens wichtig. Das Gebot der „emotionale­n Korrekthei­t“regiert: Gefühle sollen gezeigt und nicht unterdrück­t werden.

Für einen Augenblick schien die „Blumenrevo­lution“selbst der Institutio­n der Monarchie gefährlich zu werden. Harsche Kritik an der Queen wurde laut, weil die sich anscheinen­d gefühlskal­t und unnahbar zeigte. Übereifrig­e Anti-Monarchist­en, die eine Republik forderten, schossen übers Ziel hinaus, aber der Ruf nach einer Modernisie­rung der Monarchie wurde laut. In der Folge nahm sich das Königshaus den Wunsch zu Herzen und bemühte sich nach Kräften, mit der Zeit zu gehen: Die Queen überrascht­e mit einem offizielle­n Auftritt in einer Kneipe, und Prinz Charles traf sich mit den Spice Girls. Aber vor allem akzeptiert­e man, dass der Fokus in der Zukunft auf den beiden Jungen liegen wird: William und Harry werden immer mehr das Erscheinun­gsbild der Royals prägen.

Die Prinzen, die ja in Stil und Auftreten ganz ihrer Mutter gleichen, bringen die Monarchie ins 21. Jahrhunder­t. Niemand würde von der Queen oder Prinz Charles eine herzliche Umarmung erwarten. William und Harry dagegen haben keine Probleme, fremde Menschen in den Arm zu nehmen, und es wirkt natürlich. Sie haben die ungezwunge­ne Art ihrer Mutter geerbt. Im April gab Prinz Harry ein Interview, in dem er über seine psychologi­schen Probleme sprach, die der Tod seiner Mutter mit sich brachte. Mit Prinz William engagiert er sich bei der Organisati­on „Heads Together“, die auch dazu ermutigt, sich einer Gesprächst­herapie zu stellen. Die beiden Brüder führen auch mit ihrem Engagement für Obdachlose, AidsKranke und die Opfer von Landminen Dianas Projekte weiter.

Und was ist mit Prinz Charles? Das Gedenkjahr Dianas war schlecht für seine Popularitä­t. Dachten 2013 lediglich 15 Prozent der Briten, dass Charles schlecht für die Monarchie ist, so denken das jetzt 27 Prozent. Und eine kürzliche Umfrage zeigte, dass eine Mehrheit der Briten, 51 Prozent, Prinz William als den nächsten Monarchen sehen will und nur 22 Prozent den Thronfolge­r. Doch ein Überspring­en der Thronfolge würde William selbst nicht mitmachen wollen. Er ist, wen wundert es, ein Monarchist und weiß, wie sehr ein solcher Schritt die Institutio­n selbst untergrabe­n würde.

William und Harry haben keine Probleme, fremde Menschen in den Arm zu nehmen

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FOTO: DPA „Sie war eine außergewöh­nliche und begabte Persönlich­keit. In guten Zeiten wie in schlechten verlor sie nie ihre Fähigkeit zu lächeln und zu lachen oder andere mit ihrer Wärme und Güte aufzumunte­rn“, sagte Königin Elizabeth II. nach Dianas Tod. Das...

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