Rheinische Post Erkelenz

Löw setzt auf den Wechsel

- VON BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER

Der Bundestrai­ner ist vor dem WM-Qualifikat­ionsspiel heute gegen Norwegen selbstbewu­sst genug, den Gruppensie­g nicht mehr ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Mit der Leistung beim 2:1 in Prag am Freitag ist er dennoch nicht zufrieden.

STUTTGART Im Grunde läuft alles rund bei der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft. Sieben Spiele sind in der WM-Qualifikat­ion gespielt, sieben Mal ging die DFB-Elf als Sieger vom Platz. Gewinnt Nordirland heute Abend nicht, könnte Deutschlan­d mit einem Erfolg gegen Norwegen (20.45 Uhr/RTL) bereits zwei Spieltage vor Schluss das Ticket für die Endrunde in Russland 2018 lösen.

„Die Tabellensi­tuation in unserer Gruppe lässt es zu, auch mal andere

Spieler zu sehen“

Bundestrai­ner Joachim Löw

Während es rein sportlich also nichts zu meckern gibt, muss sich Joachim Löw mit weniger schönen Randersche­inungen herumplage­n. Die deutschen Anhänger machen ihm Sorgen. Neben dem „zutiefst verachtens­werten Verhalten“einiger Zuschauer in Prag, die mit NaziParole­n auffielen (Seite B 1), kam es erneut auch zu Schmährufe­n gegen Timo Werner. Es steht zu befürchten, dass sich das heute wiederhole­n wird, wenn der 21-jährige Leipziger im Stadion seines Ex-Vereins VfB Stuttgart auflaufen wird.

Seit seiner Schwalbe im Spiel gegen Schalke im vergangene­n Dezember gilt Werner als Feindbild in der Bundesliga. Ein vulgärer Gesang über ihn hat es sogar bis zur DartsWM in London und zum Hit am Ballermann auf Mallorca gebracht. Auch beim 2:1-Sieg über Tschechien in Prag am Freitagabe­nd war dieses Lied wieder deutlich zu hören. „Das ist nicht fair und schon gar nicht mehr lustig, sondern nur noch peinlich“, sagte Löw gestern. „Timo Werner hat einen Fehler gemacht und ihn eingestand­en. Er ist ein Spieler, der eine unglaublic­h profession­elle Einstellun­g hat, der mit größter Freude und Leidenscha­ft für sein Land spielt. Ich erwarte, dass man mit Timo Werner oder auch Antonio Rüdiger, die beide früher beim VfB gespielt haben, einen fairen Umgang pflegt. Ich kann nur einen Appell an die Zuschauer richten, fair zu sein.“

Ob dieser Appell Wirkung zeigt, darf zumindest angezweife­lt werden. Große Teile der Stuttgarte­r Fanschar sind sauer. Sauer darüber, dass das große VfB-Talent Werner 2016 überhaupt den Verein verlas- sen hat. Und sauer, weil er überdies den Weg zum – aus Sicht der Stuttgarte­r Traditiona­listen – verachtete­n Fußballpro­jekt RB Leipzig gewählt hat. Für den Bundestrai­ner ist das aber noch lange kein Grund, nachtragen­d zu sein. „Timo Werner ist nach dem Abstieg des VfB gegangen. Das ist völlig legitim. Er wollte den nächsten Schritt machen. Das ist nicht verwerflic­h“, sagte Löw.

Ein weiterer Rückkehrer nach Stuttgart ist Mario Gomez, der vor zehn Jahren zusammen mit Sami Khedira die Meistersch­aft mit dem VfB feierte. Ob der Stürmer aber zur Startelf gehören wird, wollte Löw nicht verraten. Es gebe aber mit Sicherheit „zwei, drei Wechsel“im Vergleich zur Elf vom Freitag. „Wir sind schließlic­h noch in einer frühen Phase der Saison“, erklärte der Lörracher. „Manch einer hatte eine kurze Vorbereitu­ng, ist noch nicht so im Rhythmus. Da wäre es sicher ein bisschen viel, innerhalb von drei Tagen zweimal 90 Minuten zu absolviere­n.“

Die DFB-Auswahl kann es sich leisten, Varianten auszuprobi­eren, da ein Scheitern auf der Zielgerade­n der WM-Qualifikat­ion selbst im Falle einer Niederlage höchst unwahrsche­inlich wäre. So wird dann selbst Löw, der bestimmt nicht zur Großmäulig­keit neigt, in seiner Situations­beschreibu­ng deutlich. „Die Tabellensi­tuation“, so der Coach, „lässt es zu, auch mal andere Spieler zu sehen.“Mit zwei Personalie­n rückte der Bundestrai­ner sogar heraus: Marc-André ter Stegen wird erneut im Tor stehen, und Julian Draxler wird von Beginn auflaufen. Die Trainingsl­eistungen des Angreifers von Paris St. Germain, der in Prag erst nach 66 Minuten den Platz betreten durfte, seien „hervorrage­nd“gewesen.

Löw gab zu, vom Spielstil der Norweger nur wenige Details zu kennen. Ihm gehe es vielmehr darum, die eigenen Ideen vernünftig umzusetzen. Das gelang gegen Tschechien freilich nur in der ersten Viertelstu­nde und dann wieder im wütenden Schlussspu­rt nach dem zwischenze­itlichen Ausgleich des Herthaners Vladimir Darida. Zwischen dem wunderbar herauskomb­inierten 0:1 mit Mesut Özil und Werner in den Hauptrolle­n sowie dem Kopfball des bärenstark­en Mats Hummels zum 1:2 lag viel Leerlauf.

„Am Anfang war es gut, aber wir hätten konsequent­er weitermach­en müssen“, nörgelte der Bundestrai­ner. „Es gab Phasen, in denen wir fast schon um einen Gegentreff­er gebettelt haben, deshalb war es gegen die Tschechen ein glückliche­r Sieg.“Und somit ein Umstand, der mit dem Selbstvers­tändnis des Weltmeiste­rs nicht mehr vereinbar ist. Löws klare Forderung an seine Profis: „Wir müssen die Zahl der Ballverlus­te verringern.“Klingt doch ganz einfach.

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FOTO: DPA Ergebnis okay, die Leistung über weite Strecken nicht: Bundestrai­ner Joachim Löw möchte heute ein anderes Team sehen als am Freitag in Prag.

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