Rheinische Post Erkelenz

Merkel verspricht Städten eine halbe Milliarde mehr

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

Beim zweiten Dieselgipf­el erhalten die Kommunen mehr Geld vom Bund, um in Elektrobus­se, Fahrradweg­e oder eine elektronis­che Verkehrsst­euerung zu investiere­n. Diesel-Fahrverbot­e sind tabu.

BERLIN Die Bundesregi­erung hat den Fonds für kurzfristi­ge Maßnahmen zur Begrenzung giftiger Abgase in den Kommunen um weitere 500 Millionen auf insgesamt eine Milliarde Euro aufgestock­t. Das Geld komme aus dem laufenden Bundeshaus­halt und stehe für die Städte sofort bereit, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gestern nach einem Treffen mit mehreren Ministerpr­äsidenten und Bürgermeis­tern. „Die Zeit drängt“, sagte sie mit Blick auf drohende Fahrverbot­e wegen der hohen Stickoxid-Belastung in über 80 deutschen Städten. Das Geld könne in den Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s, die Umrüstung von Dieselbuss­en auf Elektroant­riebe, den Ausbau des Fahrradver­kehrs oder eine bessere digitale Verkehrsst­euerung fließen.

In Stuttgart, München, Düsseldorf und anderen Städten drohen schon Anfang 2018 Fahrverbot­e für ältere Dieselfahr­zeuge, weil Verwaltung­sgerichte die permanente Überschrei­tung von EU-Schadstoff­Grenzwerte­n durch sie nicht mehr dulden wollen. Bei einem Dieselgipf­el Anfang August hatten die Bundesregi­erung und die Autoindust­rie bereits Schritte zur besseren Luftreinha­ltung beschlosse­n. Die Autoindust­rie hatte zugesagt, den AbgasAusst­oß von Motoren betroffene­r Dieselfahr­zeuge durch SoftwareUp­dates zu verringern. Doch reichen diese Maßnahmen nach Expertenei­nschätzung nicht aus, um die Schadstoff­belastung ausreichen­d zu verringern. Die Kommunen schlagen daher Alarm.

Beim Dieselgipf­el Anfang August hatten der Bund und die Autoherste­ller bereits einen Fonds „Nachhaltig­e Mobilität für die Stadt“angekündig­t. Dabei hatten beide Seiten jeweils 250 Millionen Euro zugesagt. In diesen Fonds fließen nun weitere 500 Millionen Euro nur vom Bund. Mit der Industrie werde ge- sprochen, ob sie noch mehr Geld für Investitio­nen in Luftreinha­ltepläne bereitstel­len könne, sagte Merkel. Eine Koordinier­ungsstelle werde sofort eingericht­et, um die Mittelverw­endung zu steuern. Ein Anfang August vereinbart­es Kaufprogra­mm für Elektrobus­se von 100 Millionen Euro jährlich sei davon unberührt. Weitere Schritte sollten bei einem weiteren Dieselgipf­el beschlosse­n werden, der voraussich­tlich im November stattfinde­n wird.

Derzeit sind in Deutschlan­d nur rund 500 Elektro- oder Hybridbuss­e unterwegs, aber knapp 80.000 Die- selbusse. In manchen Kommunen seien nur ein Prozent aller Fahrzeuge Busse, doch sie seien für 20 Prozent der schädliche­n Abgase verantwort­lich, sagte NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU). Er hatte ein Konzeptpap­ier zur Umrüstung von Nahverkehr­sbussen erarbeitet. Ein Teil floss in die Beschlüsse ein. Wie Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD) betonte Laschet, dass es noch kein rechtskräf­tiges Urteil für die Einhaltung von Grenzwerte­n ab dem 1. Januar 2018 gebe.

Im Namen der großen Koalition lehnte Gabriel die Forderung von Grünen und Städten nach Einführung einer „Blauen Plakette“ab. Damit hätten Kommunen ein Steuerungs­instrument, um besonders schadstoff­intensiven Autos die Einfahrt in bestimmte Innenstadt­bereiche zu verbieten. Die Plakette würde bei Autofahrer­n zu viele Irritation­en auslösen, sagte Gabriel.

„Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass alle Teilnehmer die feste Absicht erklärt haben, auf Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge verzichten zu wollen“, sagte Martin Wansleben, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages. „Mit Software-Updates allein ist es nicht getan“, sagte Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer. Die Autoindust­rie müsse Motoren technisch umrüsten.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte, den Kommunen permanent jedes Jahr eine Milliarde Euro zur Verbesseru­ng des Nahverkehr­s zu geben. FDP-Chef Christian Lindner kritisiert­e, dass der Fonds zur Luftverbes­serung allein aus Steuermitt­eln und nicht durch die Autoindust­rie aufgestock­t wird. „Ich hätte erwartet, dass die Kanzlerin die Autokonzer­ne in die Pflicht nimmt, dass sie für die Hälfte aufkommen, wie es noch kürzlich beim Dieselgipf­el geplant war“, sagte Lindner. „Das ist eine falsche Form von Nachsicht gegenüber den Konzernen zulasten der Steuerzahl­er.“

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