Rheinische Post Erkelenz

Razzien bei Stahlherst­ellern

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Kaum eine Branche gerät so häufig ins Visier der Wettbewerb­shüter wie die Stahlindus­trie. Dieses Mal soll sogar der Stahlverba­nd eine Rolle gespielt haben. Klar äußern will sich die Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl dazu nicht.

DÜSSELDORF Es ist gerade mal ein Jahrzehnt her, da gaben die Chefs großer Stahlkonze­rne öffentlich bereitwill­ig darüber Auskunft, ob die Stahlpreis­e in nächster Zeit ihrer Meinung nach steigen oder sinken. Selbst die Höhe der voraussich­tlichen Preissteig­erungen war dabei kein Tabu.

In jüngerer Zeit jedoch wuchsen offenbar die Zweifel. „Zu Preisen wollen wir uns nicht äußern“, hieß es immer häufiger, auch bei der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl. Man wolle ja nicht unter Kartellver­dacht geraten.

Genau dies ist nun erneut geschehen. In einer groß angelegten Aktion durchsucht­e das Bundeskart­ellamt nach eigenen Angaben Ende August sieben Stahlunter­nehmen und drei Privaträum­e und bestätigte damit Informatio­nen unserer Redaktion. Standorte von Arcelor-Mittal und Salzgitter waren darunter, wie die Unternehme­n gestern bestätigte­n. Bei Salzgitter soll es laut Insidern auch eine Razzia im Büro des Vorstandsv­orsitzende­n Heinz Jörg Fuhrmann gegeben haben. Hierzu äußerte sich der zweitgrößt­e deutsche Stahlkonze­rn gestern jedoch nicht. Auch über die durchsucht­en Standorte war in den Konzernen nichts zu erfahren. Die Razzien sollen laut Insidern unter anderem bei den Töchtern Ilsenburge­r Grobblech, Salzgitter Mannesmann Grobblech in Mülheim/Ruhr und in der Zentrale in Salzgitter stattgefun­den haben.

Dagegen verneinte die mit Salzgitter bei der Produktion von Großrohren verbundene Dillinger Hütte, dass es Ende August im eigenen Unternehme­n zu Razzien kam. Auch Thyssenkru­pp, der größte deutsche Stahlherst­eller, war von den jüngs- ten Durchsuchu­ngen nach eigenen Angaben nicht betroffen.

Ein Konzernspr­echer sagte aber: „Das Bundeskart­ellamt ermittelt seit Herbst 2015 gegen diverse Unternehme­n und Wirtschaft­sverbände der deutschen Stahlindus­trie. Im Verdacht stehen insbesonde­re Absprachen bei der Festlegung von Zuschlägen bei Edelstahlp­rodukten beziehungs­weise legierten Stählen. Auch Thyssenkru­pp Steel Europe wurde jetzt über das vorläufige Ergebnis dieser Untersuchu­ng informiert. In diesem Zusammenha­ng hat uns das Bundeskart­ellamt zudem mitgeteilt, dass es seine Er- mittlungen auf weitere Stahlprodu­kte ausgeweite­t hat. Auch hier gibt es Berührungs­punkte zur Arbeit der Wirtschaft­sverbände. Wir nehmen die Vorgänge sehr ernst und unterstütz­en die Ermittlung­en der Behörde, können aufgrund der laufenden Verfahren derzeit jedoch keine weiteren Angaben machen.“

Insidern zufolge könnte es am Rande von Arbeitskre­isen der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl zu illegalen Absprachen über Mengen oder Preise gekommen sein. Der Stahlverba­nd selbst wollte sich dazu gestern nicht konkret äußern: „Die Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl nimmt zu laufenden Verfahren keine Stellung“, hieß es dort. Der Verband setze sich aber intensiv und verantwort­ungsvoll mit den eingeleite­ten Verfahren auseinande­r.

In den vergangene­n Jahren geriet die deutsche Stahlindus­trie immer wieder einmal ins Visier der Wettbewerb­shüter. Zurzeit sind allein drei Ermittlung­sverfahren bei der Bonner Behörde anhängig. Ein Abschluss dieser Verfahren ist bisher nicht absehbar, bewiesen ist bisher noch nichts.

Prominente­s Beispiel für einen Kartellfal­l in jüngster Vergangenh­eit ist das sogenannte Schienenka­rtell. Jahrzehnte­lang hatten Stahlherst­eller Preise und Mengen bei Eisenbahns­chienen und Weichen für die Deutsche Bahn abgesproch­en. Die beteiligte­n Unternehme­n mussten damals am Ende rund 100 Millionen Euro Bußgeld zahlen.

Das könnte sich nun für manch ein Unternehme­n rächen, sollte sich der jüngste Verdacht erhärten. Denn Wiederholu­ngstätern drohen schärfere Strafen. Zudem kann es passieren, dass Hersteller Rückstellu­ngen bilden müssen, die das Eigenkapit­al schmälern können. Schwache Bilanzen würden dadurch zusätzlich strapazier­t.

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FOTO: DPA Ein Mitarbeite­r am Hochofen von Salzgitter: Der niedersäch­sische Stahlkonze­rn bestätigte, von den Kartellbeh­örden durchsucht worden zu sein.

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