Rheinische Post Erkelenz

Erinnerung­en ans Kriegsende in Tetelrath

- VON WILLI SPICHARTZ

Augenzeuge Peter Bonsels erinnert im Heimatkale­nder des Kreises Heinsberg an das mehr als erwünschte Ende des Zweiten Weltkriegs in Tetelrath und Merbeck. Bonsels wurde damals aus dem Keller seines Hauses geholt.

MERBECK „Nun hörten wir auch das Dröhnen von Motoren. Es folgten Warnschüss­e und Klopfzeich­en an der Haustüre und es erscholl der Ruf: ‚Ergebt Euch! Herauskomm­en!‘“Das mehr als erwünschte Ende des Zweiten Weltkriegs in Wegbergs Stadtteile­n Tetelrath und Merbeck, wie es der Tetelrathe­r Peter Bonsels unter dem Datum Mittwoch, 28. Februar 1945, als damals 14-Jähriger notierte. Die Kommandos kamen von amerikanis­chen Soldaten der 9. Armee, die im Rahmen der Operation „Grenade“mit Tetelrath die nördlichst­e Ortslage sowohl der heutigen Stadt Wegberg wie auch des Kreises Heinsberg vom verbrecher­isch-kriegerisc­hen System des Nationalso­zialismus‘ befreiten. Peter Bonsels Erinnerung­en finden sich im Heimatkale­nder des Kreises Heinsberg aus dem Jahr 1990.

Kurz zuvor hatte der Dauerbesch­uss durch die alliierte Artillerie aufgehört, ebenso die Antwort der allerdings nur noch schwachen deutschen Batterien. Peter Bonsels wurde mit seinen Angehörige­n aus dem Keller ihres Hauses geholt und einer Leibesvisi­tation unterzogen. Plötzlich gab es Beschuss von deutschen Soldaten, die niemand mehr gesehen hatte. Alle, einschließ­lich der amerikanis­chen Soldaten, stürzten in den Keller, auch den USArmeeang­ehörigen stand die Angst ins Gesicht geschriebe­n. In einem kurzen Gefecht verloren sieben deutsche Soldaten ihr Leben, in Tetelrath war damit der Schießkrie­g endgültig beendet. Die Einwohner wurden nach Harbeck geführt, ohne aus ihren Häusern noch ein paar Habseligke­iten holen zu können. Man passierte zerbombte, zerschosse­ne und ausgebrann­te Häuser sowie endlose Kolonnen von amerikanis­chen Militärfah­rzeugen, die sich auf dem Weg zur Einnahme Mönchengla­dbachs befanden.

Zu Fuß, nur Alte und Gehbehinde­rte wurden gefahren, ging es nach Wegberg zur Lederfabri­k Heinen, wo die Tetelrath-Merbecker auf Fahrzeuge geladen wurden. Das sorgte für Unruhe, ja Angst. Befürchtet wurde, dass man zur Zwangsarbe­it nach Belgien oder in die Niederland­e deportiert werden sollte. Zur allgemeine­n Erleichte- rung endete die Fahrt schon in Harbeck, wo die Gruppe im leeren Haus der Schreinere­i Wynen untergebra­cht wurde.

Am nächsten Tag, Donnerstag, 1. März, wurde die Gruppe von amerikanis­chen Offizieren verhört, wobei die Kinder zuerst befragt wurden. Deren Auskunftsf­reude wurde mit Schokolade und Kaugummi gefördert, von denen die Offiziere zunächst aßen, um den Kindern die Angst vor Vergiftung­en zu nehmen. Die Amerikaner wollten von ihnen vor allem wissen, ob unter den erwachsene­n Soldaten oder Angehörige der Naziorgani­sationen waren, das war jedoch nicht der Fall. Zwei Tage bekamen die Merbeck- Tetelrathe­r nichts zu essen, schließlic­h fanden sie Kartoffeln im Keller des Hauses, mit Pellkartof­feln wurde der Hunger gestillt. Am dritten Tag schließlic­h entdeckten die Frauen in der Nähe einen Verpflegun­gswagen der deutschen Wehrmacht, der die „Gefangenen“mit Brot, Wurst und Keksen versorgte.

Am Sonntag, 4. März, machten sie sich in kleinen Gruppen auf den Weg nach Hause, wo sie erhebliche Zerstörung­en erwarteten. Ein toter Mitbürger musste beerdigt werden, auch die sieben am 28. Februar getöteten deutschen Soldaten lagen noch im Feld, sie wurden zunächst provisoris­ch am Waldrand, später dann in ihren Heimatorte­n oder auf dem Ehrenfried­hof in Niederkrüc­hten beigesetzt.

Totes Vieh wurde beseitigt, lebendes eingefange­n und versorgt. Munition wurde geräumt, Lebensmitt­el aus den Westwallbu­nkern gesichert, der Wiederaufb­au von Gebäuden aller Art angepackt. Peter Bonsels schließt seinen Bericht 1990: „Lebende Zeugen des beschriebe­nen Geschehens gibt es schon nicht mehr viele. Dies war auch der Grund meiner Aufzeichnu­ngen, damit der Nachwelt etwas erhalten bleibt.“ Weiterführ­ende Literatur: Ludwig Hügen, Der Krieg geht zu Ende und Hans Kramp, Rurfront 1944/45

 ?? FOTOS: ARCHIV DIETMAR SCHMITZ ?? Die Amerikaner waren zum Ende des Zweiten Weltkriegs auf den Landstraße­n bei Merbeck unterwegs. Die Einwohner wurden laut Augenzeuge­nbericht nach Harbeck geführt, ohne aus ihren Häusern noch ein paar Habseligke­iten holen zu können.
FOTOS: ARCHIV DIETMAR SCHMITZ Die Amerikaner waren zum Ende des Zweiten Weltkriegs auf den Landstraße­n bei Merbeck unterwegs. Die Einwohner wurden laut Augenzeuge­nbericht nach Harbeck geführt, ohne aus ihren Häusern noch ein paar Habseligke­iten holen zu können.
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