Rheinische Post Erkelenz

Werner – vom Buhmann zum Liebling

- VON PATRICK SCHERER

Der zweifache Torschütze erlebt beim mühelosen 6:0-Sieg der deutschen Fußball-Nationalel­f gegen Norwegen eine ziemlich radikale Wandlung. Die Stimmung auf den Rängen ist entspannt und positiv.

STUTTGART Die Reizfigur des deutschen Fußballs hat sich Balsam für seine Seele abgeholt. Timo Werner wurde beim WM-Qualifikat­ionsspiel der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Norwegen in Stuttgart lautstark als Matchwinne­r gefeiert. Der 21-Jährige steuerte zum 6:0 in seiner Geburtssta­dt zwei Treffer bei. Da Nordirland gegen Tschechien im Parallelsp­iel ebenfalls gewann, ist Deutschlan­d noch nicht endgültig für das Turnier in Russland im kommenden Jahr qualifizie­rt. Bei den abschließe­nden Qualifikat­ionsspiele­n in Nordirland und gegen Aserbaidsc­han Anfang Oktober braucht das deutsche Team noch einen Punkt, um die rein theoretisc­hen Fragezeich­en noch zu beseitigen.

Es war ein flammender Appell von Joachim Löw am Sonntag. Im Vorfeld des Spiels forderte er vom Stuttgarte­r Publikum Fairness im Umgang mit Timo Werner ein. Die klare Ansprache zeigte Wirkung. Werner ist bei großen Teilen deutscher Fußballfan­s in Ungnade gefallen. Die Initialzün­dung dafür lieferte der Ex-Stuttgarte­r mit einer Schwalbe in der Bundesliga im Dezember 2016. Als Katalysato­r dient zudem, dass Werner in Diensten von RB Leipzig steht, dem von Traditiona­listen abgelehnte­n Fußballpro­jekt. Doch nach 21 Minuten hallten gestern erstmals „Timo Werner“-Sprechchör­e durch die Arena. Gerade hatte der Angreifer das 3:0 erzielt. Wenig später (40.) erhöhte er mit einem sehenswert­en Kopfball zum 4:0-Halbzeitst­and.

Dass Werner und seine Kollegen sehr früh jegliche Zweifel am Spielausga­ng beseitigte­n, lag neben aller spielerisc­hen Klasse auch zu großen Teilen am Gegner. Die Norweger attackiert­en zu zaghaft und gaben der DFB-Elf viel zu viel Raum, um zu kombiniere­n. Beim Führungstr­effer kam Mesut Özil völlig freistehen­d im Strafraum zum Abschluss (10.). Vor dem 2:0 (17.) konnte sich Julian Draxler noch einmal in Ruhe drehen, um den Ball seelenruhi­g ins linke Eck zu schieben. Dem zweiten Treffer ging allerdings eine Abseitsste­llung voraus.

Löw hatte seine Mannschaft im Vergleich zum 2:1 in Tschechien am vergangene­n Freitag auf drei Positionen verändert. Für Matthias Ginter, Julian Brandt und Lars Stindl rückten Antonio Rüdiger, Sebastian Rudy und Draxler ins Team. Zur Halbzeit brachte der Bundestrai­ner Leon Goretzka. Für ihn verließ Tho- mas Müller das Feld. Der beim FC Bayern nicht durchgehen­d gefragte Weltmeiste­r strotze gestern vor Spielfreud­e und bereitete zwei Treffer vor. Aber auch Goretzka wollte sich nicht nachsagen lassen, nur zum Ergebnis verwalten beigetrage­n zu haben. Fünf Minuten nach seiner Einwechslu­ng köpfte der Schalker eine feine Draxler-Flanke zum 5:0 ein. Norwegen hatte aus der ersten Halbzeit allem Anschein nach nichts gelernt und verteidigt­e weiter auf keineswegs internatio­nalem Niveau. So erzielte Joker Mario Gomez noch das sechste Tor.

Löw hatte nach dem Spiel in Tschechien von seinen Mannen gefordert, bei aller Flexibilit­ät die Positionen gut zu besetzen und nach vorne konzentrie­rter und konsequent­er zu agieren. Den zweiten Teil erfüllte die Mannschaft fraglos. Für den ersten Teil war Norwegen sicher kein Maßstab. Dafür waren die Kontervers­uche der Gäste mit zu wenig Nachdruck versehen.

Dem Publikum war es egal, es feierte Werner und das Spektakel. Löw bedankte sich auf seine Art, indem er die Stuttgarte­r Meisterspi­eler von 2007, Sami Khedira und Mario Go- mez, einwechsel­te. Auch beim zweiten Nebenschau­platz dieser Tage ließen die Stuttgarte­r Zuschauer wenig Interpreta­tionsspiel­raum. Nach den „zutiefst verachtens­werten“(Löw) „Sieg Heil“-Rufen beim 2:1-Erfolg in Prag ernteten Ansagen der Stadionspr­echer gegen Rassismus viel Applaus.

Der offizielle Fan Club Nationalma­nnschaft hisste zudem in der Cannstatte­r Kurve ein Banner mit der Aufschrift „Gegen Gewalt, Fremdenfei­ndlichkeit und Ausgrenzun­g – der Fan Club ist bunt und steht hinter der Mannschaft“.

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FOTO: DPA Deutschlan­ds Spieler jubeln mit den Torschütze­n Julian Draxler (von rechts), Timo Werner und Mesut Özil.

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