Rheinische Post Erkelenz

Silber vergolden

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Die erste EM-Medaille bei den Männern rückt das deutsche Volleyball in den Fokus. Der Erfolg soll sich für eine Sportart auszahlen, die an Schulen und in der Freizeit etabliert ist, aber in der Spitze um Aufmerksam­keit und Sponsoren kämpft.

DÜSSELDORF Die Nacht war kurz, schon um sechs Uhr früh ging gestern der Flieger zurück in die Heimat. Also machten Deutschlan­ds Volleyball­er bis zum Morgengrau­en durch und feierten den Gewinn der Silbermeda­ille bei der EM in einem Krakauer Kellerklub. Von der Bar zum Boarding, quasi. Es war ja auch das erste Edelmetall, das deutsche Männer bei einer Volleyball-Europameis­terschaft gewonnen haben. Und siehe da: Plötzlich steht der Sport im Fokus, plötzlich ist er Gesprächst­hema. Deswegen soll sich der Erfolg auch nachhaltig auszahlen – für eine Sportart, die als Schulund Freizeitsp­ort etabliert ist, aber in der Spitze um Aufmerksam­keit und Sponsoren kämpft.

Volleyball ist Volkssport. Kinder und Jugendlich­e spielen es vormittags in der Schulturnh­alle, Hobbygrupp­en und Seniorentr­effs am Abend an selber Stelle. Wenn kein Netz da ist, tut es auch eine Schnur. Und im Sommer erfreut sich die Strand-Variante seit Jahren wachsender Beliebthei­t. Immer mehr Freibäder, Parks und Sportanlag­en können heute ein Sand-Rechteck vorweisen. Immerhin 430.000 Mitglieder zählte der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) 2016. 2006 waren es noch 55.000 mehr.

Doch das ist nur der eine Teil der Geschichte vom Volleyball in Deutschlan­d. Der andere erzählt vom Problem, wie es auch Tischtenni­s oder Badminton kennen. Jeder kommt mal in Berührung mit dem Sport, aber wenn es darum geht, Zuschaueri­nteresse am Spitzenspo­rt zu wecken, wird aus dem Volkssport eine Nischen-Bewegung. 1435 Zuschauer kamen in der zurücklieg­enden Spielzeit im Schnitt zu einem Spiel der Männer-Bundesliga, bei den Frauen waren es 1250. Vereinseta­ts erlauben kaum Sprünge, weil Sponsoren nicht gerade Schlange stehen, weil denen wiederum die TV-Präsenz fehlt. Partien werden live nur im Internet auf sportdeuts­chland.tv gezeigt. Und das ist schon ein Fortschrit­t gegenüber frü- heren Jahren. Vor diesem Hintergrun­d ist verständli­ch, warum sich der DVV fast schon kindlich darüber freute, dass die Kunde vom Finaleinzu­g bei der EM am Samstag Erwähnung in der Tagesschau und im Aktuellen Sportstudi­o fand. Fast schon einem Sechser im Lotto kam aus dieser Perspektiv­e schließlic­h die Entscheidu­ng von Sport1 gleich, das Endspiel aus dem Bezahlkana­l ins Free-TV zu hieven.

Beim Verband registrier­te man im Nachgang des Finales erste positive Reaktionen von Sendern und Sponsoren. Reaktionen, die optimistis­ch stimmen, den Volleyball als sehenswert­e Sportart künftig einem größeren Publikum anbieten zu können. „Möglichst viel im Bewegtbild­bereich zumindest im Internet zeigen zu können, muss der eine Ansatz sein“, sagt DVV-Sprecher Thilo von Hagen. „Der andere ist der, die jungen Nationalsp­ieler als Zugpferde für die heimische Liga zu entwickeln.“Immerhin sechs von 14 EMAkteuren spielen daheim, acht in stärkeren Ligen wie denen in Frankreich, Polen oder Italien.

In der Bundesliga schließt man sich jedenfalls der Zuversicht des Verbandes an, das zarte Pflänzchen EM-Medaille hegen zu können. „Der Auftritt war beste Werbung für den Volleyball­sport, und wir alle müssen jetzt dafür sorgen, den Erfolg in vernünftig­en Strukturen zu versilbern“, sagt Helmut Weissen- bach. Er ist Manager des in Solingen und Wuppertal beheimatet­en Bundesligi­sten Bergische Volleys, und er ist überzeugt davon, dass sich der Coup von Krakau für den Spitzenvol­leyball in Deutschlan­d nutzen lässt. „Wir werden Rückenwind spüren, und diese Medaille wird auch der Bundesliga guttun“, sagt er. Denn: „Volleyball boomt draußen und drinnen.“

Hier liegt Weissenbac­hs Hoffnung begründet: Dass sich das Silber aus der Halle mit der Begeisteru­ng um die Beachvolle­yball-Olympiasie­gerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhors­t kombiniere­n lässt. Dass sich der Hype um die sexy Zweier-Sportart im Sand und das Interesse für die SechserVar­iante unter dem Dach befruchten. In jedem Fall zieht Beachvolle­yball. 70.000 Fans kamen jetzt an vier Tagen zur Deutschen Meistersch­aft am Timmendorf­er Strand. Das Finale der World Tour soll 2018 zum dritten Mal in Hamburg stattfinde­n – und 2019 die WM. Der DVV hat eine Bewerbung bereits abgegeben.

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FOTO: AP Jubel über Rang zwei: Die deutschen Volleyball­er feiern die Silbermeda­ille bei der EM in Polen ausgelasse­n.

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