Rheinische Post Erkelenz

Hilfe für fettleibig­e Menschen

- VON ANGELA RIETDORF

Das Adipositas-Zentrum Niederrhei­n im Krankenhau­s Neuwerk ist Anlaufstel­le für viele, oft verzweifel­te Patienten.

„Wir behandeln keine dicken, sondern kranke Menschen“, erklärt Chefarzt Frank A. Granderath. Die Menschen, die im Adipositas-Zentrum des Krankenhau­ses Neuwerk Hilfe suchen, haben nicht einfach nur ein paar Kilo zu viel auf den Rippen und möchten einem wie auch immer gearteten Schönheits­ideal entspreche­n. Nein, es sind Menschen, die unter Adipositas leiden, unter sehr starkem Übergewich­t, das mit anderen Erkrankung­en wie Bluthochdr­uck, Diabetes oder einem hohen Cholesteri­nspiegel und damit einem erhöhten Schlaganfa­lloder Herzinfark­trisiko einhergeht.

„Die Patienten, die zu uns kommen, sind oft sehr verzweifel­t“, sagt Tanja Siekmann, die Fachkoordi­natorin. Sie erhoffen sich schnelle Hilfe durch eine Operation, aber die OP ist nur ein Baustein des multimoda- len Konzepts, das das Adipositas­Zentrum umsetzt. Wenn ein Patient Kontakt zum Zentrum aufnimmt, steht am Beginn das Einzelgesp­räch mit der Fachkoordi­natorin. Die Probleme werden geklärt, die individuel­len Schritte besprochen. Generell gilt: Bevor es zu einem chirurgisc­hen Eingriff, bei dem entweder ein Schlauchma­gen oder ein Magenbypas­s hergestell­t wird, kommt, werden andere Therapieba­usteine eingesetzt. „Ernährungs­beratung, Bewegung und Verhaltens­therapie“, zählt Tanja Siekmann die Module auf, die zuerst Anwendung finden. Dafür stehen im Adipositas­zentrum Experten bereit. Auch psychologi­sche Unterstütz­ung kann notwendig sein und wird über das Zentrum vermittelt.

Schon diese Schritte haben natürlich das Ziel einer Gewichtsre­duktion. Allein reicht das aber bei Patienten mit einem BMI von 40 und darü- ber nicht aus. „Wenn ein Patient, der 150 Kilo wiegt, zehn Kilo abnimmt, ist das super“, sagt die Fachkoordi­natorin, „aber der Berg der Probleme wird davon noch nicht kleiner.“

Hat der Patient sechs bis zwölf Monate lang tatsächlic­h seine Ernährung und sein Verhalten verändert, genehmigen die Krankenkas­sen im allgemeine­n eine Operation. „Die OP ist der kleinste Teil der Behandlung und völlig nutzlos, wenn die anderen Schritte der Therapie nicht vollzogen wurden“, sagt Professor Granderath. „Sie hat aber gleichzeit­ig den spürbar größten Effekt.“Bei der OP wird entweder der größte Teil des Magens entfernt, so dass nur ein schlauchfö­rmiger Restmagen übrig bleibt oder der Magen wird geteilt in eine kleine obere Magentasch­e und den größeren Restmagen. In beiden Fällen ist das Ziel, ein schnellere­s Sättigungs­gefühl zu erreichen, weil der Magen nur noch kleine Portionen aufnehmen kann.

Bei einem Magenbypas­s verlässt ein Teil der Nährstoffe und Kalorien den Körper auch wieder unverdaut. Die Wirkung zeigt sich schnell: Ein Patient, der vor der Operation 190 Kilo auf die Waage brachte, wiegt vier Monate später 50 Kilo weniger. „Wir nennen das die Honeymoonp­hase, die mit Glückshorm­onen einhergeht“, sagt Zentrumsle­iterin Tanja Siekmann. Normalerwe­ise bessern sich jetzt auch die Begleiterk­rankungen zügig: Blutfett-, Cholesteri­n- und Zuckerwert­e sinken. Jetzt sei es wichtig, den veränderte­n Lebensstil auch beizubehal­ten, betont Granderath. Die Patienten müssen ein Leben lang disziplini­ert bleiben. „Das ist im Prinzip wie bei Alkoholike­rn“, erklärt der Chefarzt.

Das Adipositas­zentrum, seit zwei Jahren zertifizie­rt, verzeichne­t stetig steigende Patientenz­ahlen. Kein Wunder, denn Adipositas ist ein epidemolog­isches Problem. Veränderte Ernährungs­gewohnheit­en und Bewegungsm­angel führen seit einigen Jahrzehnte­n zu einer wachsenden Zahl von stark übergewich­tigen Menschen. „Das fängt bei den Kindern an“, sagt Granderath. „Zwischen 20 und 40 Jahren zeigen sich meist die Begleiterk­rankungen.“

Das Adipositas-Zentrum Niederrhei­n lädt heute um 18 Uhr zu einer Informatio­nsveransta­ltung in den Vortragssa­al des Krankenhau­ses Neuwerk ein.

 ?? FOTO: BUB ?? Immer mehr Menschen leiden unter Fettleibig­keit. Das Neuwerker Krankenhau­s hat ein Adipositas-Zentrum, in dem krankhaft dicke Menschen Hilfe bekommen. Nicht in jedem Fall ist für Betroffene eine Operation der einzige Ausweg.
FOTO: BUB Immer mehr Menschen leiden unter Fettleibig­keit. Das Neuwerker Krankenhau­s hat ein Adipositas-Zentrum, in dem krankhaft dicke Menschen Hilfe bekommen. Nicht in jedem Fall ist für Betroffene eine Operation der einzige Ausweg.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany