Rheinische Post Erkelenz

Ansteckend­e Krankheit Koalitioni­tis

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In zwei Tagen wissen wir, was bereits seit geraumer Zeit die Spatzen von den Dächern pfeifen: Der neue Bundestag wird bunter werden. Ob das ausgerechn­et jenen Freundinne­n und Freunden aus der politische­n Villa Kunterbunt gefallen und nutzen wird, die sich Deutschlan­d außerhalb der Parlamente nur als bunte Republik vorstellen können, bleibt neugierig und schmunzeln­d abzuwarten. Was sich dagegen weder abzeichnet, noch was wir übermorgen Abend wissen werden, ist, welche Koalitions­regierung sich zusammenfi­nden wird. Da möchte man ausrufen: Bayern, was bist du für ein glückliche­s Land! Leidest nicht an der lästigen ansteckend­en Krankheit Koalitioni­tis.

Uns werden die Haare zu Berge stehen, wenn am Montag das Feilschen um Koalitione­n beginnt. Es gäbe eine Arznei dagegen: das Mehrheitsw­ahlrecht.

Dabei gäbe es neben einem klaren Wählervotu­m für eine starke, politisch schlagkräf­tige Regierung, der von einer starken, politisch schlagkräf­tigen Opposition im Bundestag die Leviten gelesen werden, eine außerhalb Deutschlan­ds bewährte Arznei: die Änderung unseres reformbedü­rftigen Wahlrechts (personalis­iertes Verhältnis­wahlrecht heißt der kuriose Mix) durch Einführung des Mehrheitsw­ahlrechts nach französisc­hem, britischem, US-amerikanis­chem Muster.

Unter einem Mehrheitsw­ahlrecht bilden sich nur in Ausnahmefä­llen Koalitione­n, von deren politische­r Zwei- oder Mehrdeutig­keit bereits ihre jeweiligen Geburtsurk­unden, sprich Koalitions­verträge, künden. Im Idealfall führte ein Mehrheitsw­ahlrecht dazu, dass Deutschlan­d eine Mitte-rechts-Regierung sowie eine Mitte-links-Opposition, oder umgekehrt, erhielte.

Dem leider geschwächt­en Ansehen des Bundestage­s täte es gut, wenn darin nur solche Abgeordnet­e Sitz und Stimme hätten, die in ihren Wahlkreise­n direkt von einer Mehrheit der Wähler auf Platz eins gewählt wurden und nicht zur Hälfte über Landeslist­en der Parteien ins Parlament plumpsen.

Mehrheit ist Mehrheit – dieser oft verwendete, schlichte Befund mag zwar beim Mehrheitsw­ahlrecht die unter „ferner liefen“sortierten Wahlkreis-Mitbewerbe­r in der Regel kleinerer Parteien benachteil­igen; aber er garantiert in der parlamenta­rischen Demokratie Stabilität und Praktikabi­lität.

Das Wahlrecht wird – so sind die Verhältnis­se – bleiben, wie es ist. Stattdesse­n werden wir ab Montag ein Hauen und Stechen, ein Feilschen und Tricksen um SchwarzGel­b, Schwarz-Rot, neuerdings Schwarz-Gelb-Grün erleben, das uns die Haare zu Berge stehen lässt. Gegen Grippe kann man sich impfen lassen, aber die Koalitioni­tis grassiert, ohne dass ein Arzt kommt. Absurd erscheint die Einstellun­g: Das geht vorüber, bis zum nächsten Anfall.

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