Rheinische Post Erkelenz

Leere und Fassungslo­sigkeit

- VON KARSTEN KELLERMANN

1:6 beim BVB: Tobias Sippels Serie reißt, Matthias Ginters Heimkehr geht daneben und Lars Stindl erlebt ein emotionale­s Nichts.

DORTMUND Denis Zakaria war der Erste. Der 20 Jahre alte Schweizer kam aus der Kabine der Borussen und stellte sich den Journalist­en. Man sah ihm an, dass das zuvor Geschehene Spuren hinterlass­en hatte. Sonst hat Zakaria stets ein Lächeln im Gesicht, doch jetzt schaute er total finster drein, als er über das 1:6 seines Teams bei Borussia Dortmund sprach. Schon einmal hat Zakaria 1:6 bei einer Borussia verloren, das war mit den Young Boys Bern im Play-off zur Champions-League bei dem Klub, für den er jetzt spielt. Wie im August 2016 waren auch jetzt bei dem Extrem-Erlebnis für den Eidgenosse­n die Kräfteverh­ältnisse so eindeutig wie das Ergebnis. Deswegen war Zakarias Gesichtsau­sdruck, der irgendwo zwischen Leere und Fassungslo­sigkeit anzusiedel­n war, sinnbildli­ch für den Seelenzust­and der Borussen an diesem für sie so schlimmen Abend.

Für den von Torwart Tobias Sippel zum Beispiel. Er machte zum ersten Mal seit Mai 2015 zwei Pflichtspi­ele am Stück. Und nun das: „Ich schäme mich schon ein bisschen, hier sechs Gegentore bekommen zu haben“, gestand er. Seine Kollegen hatten ein schlechtes Gewissen deswegen. „Wir haben Tobi im Stich gelassen“, sagte Kapitän Lars Stindl, Zimmerkame­rad und bester Kumpel des Tormanns.

Ob Sippel am Samstag gegen Hannover zum dritten Mal am Stück spielen darf, hängt vom Knie der Nummer eins Yann Sommer ab. Gestern beim morgendlic­hen Auslaufen pausierte der Schweizer noch, doch Sippel geht eher davon aus, dass der Konkurrent wieder fit sein wird. „Yann hat ja vergangene Woche schon wieder individuel­l trainiert“, sagte er.

Es war der Dortmunder Maximilian Philipp, der Sippels GladbachSe­rie nach vier kompletten Pflicht- spielen und 28 Minuten, insgesamt also 388 Minuten, beendete. Bis dahin war der Ersatz-Torwart als Borusse ohne Gegentor. Auch sein Gegenüber Roman Bürki erlebte ein Novum in dieser Saison: Der Schweizer kassierte den ersten Gegentreff­er. Wie Sippel tat er aber zunächst alles dafür, dies zu verhindern. Vor allem gegen Thorgan Hazard, der mehrmals allein vor ihm auftauchte, es dem Torwart aber auch nicht allzu schwer machte. Gleiches galt für Lars Stindls ersten Versuch kurz vor der Pause. Auch in der Szene fehlte die Präzision – erst bei Raffaels Pass zu Stindl, dann bei dessen Schuss, der deutlich zu lasch ausfiel. „Wir hätten ein früheres Tor gut gebrauchen können“, sagte Stindl. Da stand es noch 0:2, es wäre demnach der Anschlusst­reffer gewesen und hätte dem Spiel vielleicht eine andere Richtung gege- ben. 1:2 statt 0:3 zur Pause, das hätte Gladbachs Mut vielleicht gesteigert. Aber es gab kein Tor und keinen Mut.

So aber gab es drei weitere Gegentore, bevor Stindl den Ball ins Dortmunder Tor trat. Da waren 66 Minuten vorbei. Für Bürki war es ein Ärgernis, denn die schöne Serie ist dahin. Und für Stindl war es ein emotionale­s Nichts, dieses Tor, das sein zweites in dieser Saison ist. Wäh- rend sein Traum-Treffer eine Woche zuvor in Leipzig den Borussen einen Punkt eingebrach­t hatte, war das Tor dieses Mal reine Ergebnisko­smetik, die aber nicht viel übertünche­n konnte. „Wir müssen uns einiges vorwerfen lassen. Wir haben zu keiner Zeit ins Spiel gefunden, sind nur hinterher gelaufen und nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen“, monierte Stindl.

Weil es so war, gab einen weiteren größeren Verlierer in Dortmund: Matthias Ginter. Er war eigentlich zurückgeko­mmen, um bei seinem Ex-Verein etwas zu holen. Was er mitnahm, war aber nur eine extrem schlechte Erfahrung. „Leider erlebt man als Fußballer solche Abende“, sagte Ginter.

Ähnlich dürften das die mitgereist­en Gladbach-Fans sehen: „Leider erlebt man als Fan solche Abende.“Sie hatten das Team lauthals unterstütz­t gegen die gigantisch­e Übermacht der schwarz-gelben Wand auf der anderen Seite des Stadions. Die Fußballer unten auf dem Rasen, zumindest die in weißer Kluft, konnte dem Gegner weit weniger Paroli bieten. „Als Leistungss­portler will man immer das Beste bringen. Das haben wir in Dortmund nicht gemacht“, gab Ginter zerknirsch­t zu.

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FOTOS: DIRK PÄFFGEN, IMAGO Bedient, am Boden und fassungslo­s – Matthias Ginter, Tobias Sippel und Lars Stindl beim 1:6 der Gladbacher bei Borussia Dortmund.

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