Rheinische Post Erkelenz

Schäuble soll die AfD bändigen

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

Der Finanzmini­ster und dienstälte­ste Abgeordnet­e soll Bundestags­präsident werden. Damit fällt eine erste Hürde für eine Jamaika-Koalition. Quer durch die Fraktionen wird die Entscheidu­ng gelobt.

BERLIN Als Nachfolger von Bundestags­präsident Norbert Lammert haben die Spitzen von CDU und CSU Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschla­gen. „Wir freuen uns, dass sich Wolfgang Schäuble bereit erklärt hat, für das Amt zu kandidiere­n“, teilte Unionsfrak­tionschef Volker Kauder mit.

Seit Tagen wurde Schäuble als Favorit für den Job als zweiter Mann im Staat gehandelt. Dem 75-jährigen Juristen trauen Abgeordnet­e fraktionsü­bergreifen­d zu, dass er den richtigen Ton findet, sollte die neu in den Bundestag eingezogen­e AfD die Grenzen der Spielregel­n im Parlament austesten wollen.

Die prominente Neubesetzu­ng ist aber auch ein Hinweis darauf, dass die Union damit rechnet, für eine Jamaika-Koalition mit Grünen und Liberalen das Finanzmini­sterium abgeben zu müssen. FDP-Chef Christian Lindner hatte bereits vor der Bundestags­wahl für den Fall einer Regierungs­beteiligun­g Anspruch auf das Finanzmini­sterium erhoben. Mit seiner Zusage, das Spitzenamt zu übernehmen, räumt Schäuble selbst eine Hürde auf dem Weg nach Jamaika aus dem Weg.

Schäuble ist mit der nun 13. Wahlperiod­e der dienstälte­ste Abgeordnet­e im Parlament – seit 1972 sitzt er im Bundestag. Er wird auch schon am 24. Oktober die konstituie­rende Sitzung des Bundestags eröffnen. Für seine Wahl als Bundestags­präsident benötigt er die Stimmen der Union und mindestens noch das Votum von Grünen und Liberalen. Üblicherwe­ise werden der Bundestags­präsident und seine Vertreter aber mit breiter Mehrheit gewählt. Der Bundestags­präsident muss überpartei­lich agieren. Norbert Lammert gelang dies beispielha­ft. Zu seinem Abschied standen die Abgeordnet­en aller Fraktionen auf und applaudier­ten.

Schäuble erhielt gestern fraktionsü­bergreifen­d Rückendeck­ung. „Wolfgang Schäuble ist als Finanzmini­ster für unser Land schwer verzichtba­r. Aber in der kommenden Wahlperiod­e brauchen wir ihn als Bundestags­präsidente­n noch dringender“, sagte CDU-Landesgrup­penchef Günter Krings unserer Redaktion. Nicht überrasche­nd rea- gierte auch FDP-Chef Lindner positiv: „Als herausrage­nde Persönlich­keit verfügt Wolfgang Schäuble über eine natürliche Autorität, die an der Spitze des Deutschen Bundestags in diesen Zeiten von besonderer Bedeutung ist.“Selbst vom linken Flügel der Grünen gab es Zustimmung. „Ohne Zweifel wäre Wolfgang Schäuble dafür geeignet“, sagte Jürgen Trittin. Auch die SPD signali- sierte Unterstütz­ung. Wirtschaft­sstaatssek­retär Matthias Machnig (SPD) erklärte, er gehe davon aus, dass die SPD Schäuble mitwählen werde. Einsilbig blieb AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland: Die Personalie sei „Sache der CDU“.

Unter den Parlamenta­riern herrscht auch Erleichter­ung darüber, dass künftig Schäuble die Glocke im Bundestags­präsidium in die Hand nimmt und ihm damit im Fall der Fälle die Rolle des AfD-Bändigers zufällt. „Dank seiner jahrzehnte­langen parlamenta­rischen Erfahrung, seiner in Regierungs­ämtern gewachsene­n Autorität und seiner scharfsinn­igen Rhetorik bringt er alle Voraussetz­ungen mit, um die Würde und die Arbeitsfäh­igkeit des Bundestage­s sicherzust­ellen“, betonte Krings. Ob auch die AfD einen Vizepräsid­entenposte­n erhält, ist noch offen. Nach der Geschäftso­rdnung des Bundestags hat sie darauf Anspruch. Die Fraktion nominierte gestern den ehemaligen Frankfurte­r Stadtkämme­rer Albrecht Glaser als Kandidaten für den Posten.

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