Rheinische Post Erkelenz

Deutschlan­ds offene Flanke ist die Zukunft

- Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

Nun ist die große Schwierigk­eit, ohne Herablassu­ng über diese Wahl zu reden. Ohne die Figur des Jammer-Ossis zu bemühen, der in verblühten Landschaft­en hockt und sein Wutkreuz gemacht hat. Oder des mürrischen Wessis in den Strukturwa­ndel-Städten, der mit dem Fortschrit­t nicht mithalten kann und darum kundtut, dass er es auch gar nicht will. Denn das alles treibt den Keil in der Gesellscha­ft nur tiefer. Und es verharmlos­t, was die Wahl ergeben hat.

Die AfD hat in Ost und West Denkzettel-Wähler mobilisier­t, die denen da oben mal ordentlich Druck machen wollen. Das hat mit acht Jahren großer Koalition zu tun, aber auch mit einer bedenklich­en Haltung Politik gegenüber. Viele Menschen empfinden die Abgeordnet­en im Parlament nicht mehr als ihre Vertreter, sondern als Gegner, bestenfall­s Oberlehrer, denen man eins auswischen kann. Tatsächlic­h sitzt

Nach der Wahl wird Seelenscha­u der AfD-Wähler betrieben. Dabei müsste es schleunigs­t um Fragen der Zukunftsge­staltung gehen. Das allerdings darf nicht weiter ein Projekt der Eliten bleiben.

im Parlament ja kein Querschnit­t der deutschen Bevölkerun­g, doch das wird erst zum Problem, wenn viele Menschen das Gefühl bekommen, die Eliten setzten sich ab, lebten ihr borniertes Leben in gentrifizi­erten Vierteln, in denen normale Leute sich das Wohnen nicht mehr leisten können, und machten ihr Ding. Politikver­drossenhei­t ist ein Zeichen für wachsende Ungleichhe­it. Und wer dagegen nicht vorgehen will, muss sich darauf einstellen, in einer zunehmend aggressive­n Gesellscha­ft zu leben, in der Wut ihre Wege finden wird.

Die AfD-Ergebnisse nur als ein Signal für die soziale Schieflage zu deuten, ist jedoch zu harmlos. Das konnte jedem klar werden, als AfDMann Alexander Gauland am Wahlabend in diesem skurrilen Landmann-Look vor die Kameras trat und zur Jagd auf die Kanzlerin blies. Es ist diese unsägliche Veränderun­g des Tons, die Anhänger der AfD ge- wählt haben. Und zwar nicht aus Versehen, sondern bewusst. Schließlic­h gab es schon vor der Wahl genug Äußerungen des AfDSpitzen­personals, die ihre Geisteshal­tung offenbarte­n. Natürlich sind nicht alle AfD-Anhänger Rassisten, aber sie haben anscheinen­d das Bedürfnis, Aggression­en rauszulass­en, wenn auch erst nur in der Sprache.

Man spürt den Drang, sich einfach abzuwenden. Endlich über die Zukunft zu reden, über die Gestaltung des Fortschrit­ts, weil Deutschlan­d dort in Wahrheit eine offene Flanke hat. Das Land muss aber alles daran setzen, dass Menschen egal welcher Herkunft und sozialer Schicht an dieser Zukunft mitwirken können. Sonst wird die einfachste Form der Selbstaufw­ertung, die durch Nationalis­mus, für zu viele die Alternativ­e bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany