Rheinische Post Erkelenz

SPD will Soli-Pakt in Ost und West

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

Ost-Politikeri­nnen fordern hohe Fördermitt­el auch nach dem Ende des Solidarpak­ts im Jahr 2019. 27 Jahre nach der Einheit wird deutlich, dass die Angleichun­g in weiten Teilen des Landes nicht gelingt.

BERLIN Führende Politikeri­nnen haben zum heutigen Tag der Einheit besondere Strukturfö­rdermittel für Ostdeutsch­land auch nach dem Ende des Solidarpak­ts 2019 gefordert. „Wir haben die politische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Angleichun­gsprozess zwischen Ost und West bald geschafft ist“, sagte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD). „Wir brauchen deshalb auch in Zukunft eine besondere Förderung für struktursc­hwache Regionen, künftig allerdings in Ost und West“, sagte Schwesig. „Nach dem Auslaufen des Solidarpak­ts II brauchen wir ein Fördersyst­em für die struktursc­hwachen Regionen in Ost und West, um deren wirtschaft­liche Entwicklun­g zu fördern und um dort die öffentlich­e Daseinsvor­sorge dauerhaft zu sichern“, forderte auch die Ost-Beauftragt­e der Bundesregi­erung, Iris Gleicke (SPD).

27 Jahre nach der deutschen Einheit geben Ökonomen keine Entwarnung, was die Angleichun­g der Lebensverh­ältnisse angeht. Im Ge- genteil: Schon seit 2010 stagniert der Aufholproz­ess. Die Kluft zwischen Ost und West vertieft sich seitdem wieder. Da die Bevölkerun­g in Ostdeutsch­land bereits stärker als im Westen gealtert ist, werde die Wirtschaft­sleistung dort künftig erst recht nicht an das westliche Durchschni­ttsniveau herankomme­n. Weite Flächen Ostdeutsch­lands dürften daher dauerhaft auf Finanztran­sfers angewiesen sein. „Eine flächendec­kende Angleichun­g erscheint ausgeschlo­ssen“, sagte Joachim Ragnitz von der Dresdner Niederlass­ung des Ifo-Instituts für Wirtschaft­sforschung.

Die Wirtschaft­skraft Ostdeutsch­lands je Einwohner ohne Berlin liegt bis heute nur bei 68 Prozent des westdeutsc­hen Durchschni­tts, wie aus dem Bericht zum Stand der Einheit hervorgeht. Seit 1990 konnte die Leistung immerhin verdoppelt werden. Auch die Arbeitslos­igkeit im Osten sank deutlich. Sie liegt mit durchschni­ttlich 7,1 Prozent aber immer noch um zwei Punkte höher als im Westen. Der Rückgang der Arbeitslos­enzahl ist vor allem auf den Schwund an Erwerbsper­sonen zurückzufü­hren, die entweder in den Westen oder in die Rente gegangen sind. In den Ballungsrä­umen um Berlin und Leipzig gibt es weniger Probleme. Dagegen leiden weite Flächen in Vorpommern, im südlichen Sachsen-Anhalt oder im östli- chen Sachsen unter Bevölkerun­gsschwund und Perspektiv­losigkeit.

Die weiterhin großen wirtschaft­lichen, psychosozi­alen und kulturelle­n Unterschie­de zwischen Ost und West spiegelten sich im Ergebnis der jüngsten Bundestags­wahl. In Ostdeutsch­land kam die AfD auf 21,5 Prozent. Sie war damit fast doppelt so stark wie im Westen. In Sachsen wurde sie sogar stärkste Partei vor der CDU. „In ganz Deutschlan­d gibt es Menschen, die das Gefühl haben, dass sie nicht von der Politik mitgenomme­n werden. Das ist offensicht­lich im Osten stärker ausgeprägt“, stellte Schwesig fest.

Die Ost-Beauftragt­e Gleicke forderte, Bund und Länder müssten die Strukturfö­rderung für ländliche Räume überall neu organisier­en und aufstocken. Die Ost-Länder sollten künftig mehr in Köpfe statt in Beton investiere­n, riet Oliver Holtemölle­r vom Halleschen LeibnitzIn­stitut für Wirtschaft­sforschung. Bekämpft werden müssten die höheren Schulabbre­cherquoten und die geringere Standortqu­alität für Hochqualif­izierte.

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