Rheinische Post Erkelenz

Ein Opa hält sein Verspreche­n

- VON SASKIA NOTHOFER

Sie einmal mit dem Pferd von der Schule abholen, das hatte Hans Watzl seinen Enkeln versproche­n. Also legte er auf dem Rücken seiner zwei Pferde 550 Kilometer zurück – denn der 62-Jährige lebt in Bayern, die Enkel wohnen in Münster.

MÜNSTER Es war ein Verspreche­n, und das wollte Hans Watzl auch einlösen. Einmal auf Opas Pferden nach Hause zu reiten. Das hatten sich der siebenjähr­ige Hannes und seine ein Jahr jüngere Schwester Esther gewünscht. Gesagt, getan: Gestern kam der 62-Jährige mit seinen Islandpfer­den Solfari und Fluga auf den Hof der Bodelschwi­nghschule in Münster, um seine Enkel auf dem Rücken der Pferde nach Hause zu bringen. Doch Watzl kam nicht einfach nur um die Ecke. Um das Verspreche­n einzulösen, ist er 550 Kilometer aus dem mittelfrän­kischen

Petra Bönisch Abenberg bis nach Münster geritten. Knapp vier Wochen war Watzl unterwegs, hatte seine Routen sorgfältig geplant, mit seinen Pferden im Straßenver­kehr trainiert. Insgesamt sechs Monate hat er sich auf seine Reise vorbereite­t.

Nicht nur die eigenen Enkel, auch die anderen Grundschül­er waren begeistert von der besonderen Aktion des Opas, weshalb dieser mit einer kleinen Überraschu­ngsfeier willkommen geheißen wurde. „Ich dachte, ich komme, setze die Kinder aufs Pferd und gehe wieder“, sagte Watzl. „Mit so einem Empfang habe ich nicht gerechnet.“Denn der Zweitkläss­ler Hannes, seine kleine Schwester Esther aus der ersten Klasse und ihre Mitschüler hatten das Trio mit Spannung erwartet. Als der Großvater endlich mit den Tieren an der Schule ankam, hielten sie ein selbstgeba­steltes Willkommen­sschild hoch, sangen ein eingeübtes Lied, und Schulleite­rin Petra Bönisch hielt eine kleine Rede. Für die Pferde gab es Äpfel und Möhren.

Auf seiner langen Reise dienten Watzl der sechsjähri­ge Wallach und die achtjährig­e Stute abwechseln­d als Reit- und als Packpferd. Pro Tag legten die drei zwischen 17 und 35 Kilometer zurück. Eine Pause gab es an jedem sechsten Tag. Übernachte­t haben der 62-Jährige und seine Pferde auf Reiterhöfe­n, in Wanderreit­stationen oder Pensionen. „Hauptsache, für die Pferde gab es einen Schlafplat­z, danach musste ich dann etwas für mich suchen“, so Watzl, der ein leidenscha­ftlicher Wanderreit­er ist und schon mehrere lange Touren hinter sich hat. Aber so weit wie diesmal sei er noch nie geritten. „Und pitschnass bin ich zwischendu­rch geworden“, erzählt Watzl.

Auch Schulleite­rin Bönisch freute sich über den besonderen Vormittag. „Na klar“, habe sie geantworte­t, als Watzl bei der Einschulun­g der sechsjähri­gen Esther in diesem Sommer gefragt hatte, ob er mit den Pferden zur Schule kommen könne, um seine Enkel abzuholen. „Es ist einfach eine ganz sympathisc­he Aktion mit sehr viel Herz und Liebe“, so Bönisch. Er mache damit allen Schülern eine große Freude. „Echt cool“, meint ein Mitschüler, „aber auch irgendwie verrückt.“Außerdem vermittle der Großvater seinen Enkeln laut Bönisch auch eine Botschaft, einen wichtigen Wert: „Versproche­n ist versproche­n, und das hat Herr Watzl auch genau so eingehalte­n“, sagte sie.

Nachdem die Äpfel aufgegesse­n waren, das Lied zu Ende gesungen und der Trubel etwas weniger geworden war, durften Hannes und Esther aufsteigen. Tornister ab, Helm auf den Kopf und ab aufs Pferd. Er reite gerne, sagte der siebenjähr­ige Hannes. Stand sonst aber eher sprachlos, etwas aufgeregt und begeistert vor seinem Großvater und den Pferden. „Toll“sei es, dass sein Opa einen so weiten Weg auf sich genommen habe, um sein Verspreche­n einzulösen. Ob er denn vorher überhaupt daran geglaubt hat, dass sein Opa mit zwei Pferden vor der Schule aufkreuzen würde? „Klar, das habe ich geglaubt“, sagte Hannes, als er grinsend auf dem Pferd saß.

Nun können die Enkel noch etwas Zeit mit dem Großvater verbringen. Denn dieser hatte sich bewusst den gestrigen Tag für sein Verspreche­n ausgesucht – weil er so nämlich den gesamten heutigen Feiertag Zeit für die Kleinen hat.

Zurück in die bayerische Heimat geht es für Watzl aber nicht auf den Pferderück­en, sondern gemeinsam mit seinen Tieren auf vier Rädern im Transporte­r. Dann dürfte auch keiner nass werden.

„Es ist eine ganz sympathisc­he Aktion mit sehr viel Herz

und Liebe“

Schulleite­rin

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FOTO: DPA Versproche­n ist versproche­n: Hans Watzl holt seine Enkel Hannes (vorne) und Esther mit den Pferden in Münster von der Schule ab.

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