Rheinische Post Erkelenz

Die Union fürchtet den Geist von Kreuth

- VON KRISTINA DUNZ

Vor dem Treffen von CDU und CSU am Sonntag herrscht Verunsiche­rung. Schon einmal krachte es bei den Schwesterp­arteien gewaltig.

BERLIN Kreuth 1976 ist für die Union eine Metapher. Für Ungemach und Zerwürfnis. Damals hatte das CSUSchwerg­ewicht Franz Josef Strauß in Wildbad Kreuth aus Wut über die CDU die Trennung von der Schwesterp­artei angekündig­t – was nicht lange währte. Aber es krachte gewaltig in der Union, und seither ist vom Geist von Kreuth die Rede, wenn es Ärger mit der CDU gibt. Und nun hat CSU-Chef Horst Seehofer nach einem Bericht der „Süddeutsch­en Zeitung“die bevorstehe­nden Gespräche mit den Christdemo­kraten als die schwierigs­ten seit Kreuth 1976 bezeichnet. Das sorgt für Unruhe in beiden Parteien.

Eigentlich müsste die Union als stärkste Kraft bei der Bundestags­wahl trotz ihrer großen Verluste im Vergleich zu 2013 (minus 8,6 Prozentpun­kte) der Stabilität­sanker in den angestrebt­en Verhandlun­gen mit FDP und Grünen sein. Seit zwölf Jahren stellt sie mit Angela Merkel die Bundeskanz­lerin und ist den beiden kleinen möglichen Partnern an Regierungs­erfahrung weit überlegen. Doch bevor es zu Sondierung­sgespräche­n kommt, in denen wiederum überhaupt erst die Chancen für Koalitions­verhandlun­gen ausgelotet werden, treffen sich CDU und CSU am Sonntag erst einmal unter sich – zur Sondierung.

Aus dem CDU-Präsidium verlautet, dass ein Bruch der Fraktionsg­emeinschaf­t im Bundestag vor allem der CSU schaden würde. Die CDU würde bei Wahlen in Bayern antreten und der CSU all jene Wähler abspenstig machen, die die Christsozi­alen nur noch wegen Merkel wählten, und auf der anderen Seite hätte die CSU bundesweit derzeit Probleme die AfD zu überholen, heißt es weiter.

Der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) versucht die Aufregung herunterzu­dimmen: „Die Fraktionsg­emeinschaf­t ist nicht in Gefahr“, sagte er unserer Redaktion. „Es ist klar, dass CDU und CSU gemeinsam eine starke Politik für ganz Deutschlan­d gestalten wollen.“Aber, so Herrmann weiter: „Angesichts des Wahlergebn­isses ist es dringend notwendig, dass CDU und CSU sich zunächst intern über die Schwerpunk­te in der neuen Legislatur­periode klar werden, bevor mit anderen Parteien gesprochen wird.“

Dabei geht es vor allem um den einen Schwerpunk­t: die Obergrenze für Flüchtling­e, die Merkel ablehnt, weil sie diese nicht mit dem Grundgeset­z für vereinbar hält. Herrmann stellt sich diesen Weg vor: Nur ein Prozent der Asylbewerb­er sei asylberech­tigt im Sinne des Grundgeset­zes. „Das spielt also zahlenmäßi­g überhaupt keine Rolle.“Wir brauchen deshalb auch keine Verfassung­sänderung für die Obergrenze, wie manche glauben“, sagt Herrmann. Alle anderen, die aus einem sicheren Nachbarlan­d wie Österreich oder Frankreich nach Deutschlan­d kämen, könnten sich nicht auf den Artikel 16a des Grundgeset­zes berufen und müssten dort Asyl beantragen, wo sie in die Europäisch­e Union eingereist seien. „Wir sagen jetzt: Anstatt alle, die nicht politisch verfolgt werden, an der Grenze zurückzuwe­isen – was rechtlich möglich wäre – legen wir eine Größenordn­ung fest, wie viele Flüchtling­e wir der Erfahrung nach integriere­n und verkraften können.“Aktuell gingen die Flüchtling­szahlen stetig zurück. „Bis zum Jahresende erwarten wir deutlich unter 200.000. Wir brauchen ein verlässlic­hes Konzept, wie wir die Zahl der Flüchtling­e, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig halten können.“Herrmann betont: „Was das Asylgrundr­echt betrifft – das hat die CSU nie infrage gestellt.“Neben der Flüchtling­spolitik wolle sich die CSU um soziale Gerechtigk­eit kümmern: Rente, Altenpfleg­e, bezahlbare Wohnungen.

Merkel mag Herrmann. In ihren Augen agiert er besonnen, berechenba­r. Das kann sie von Seehofer nicht sagen. Vielleicht verfolgt sie mit Genugtuung, dass er nach dem schlechten Abschneide­n der CSU in Bayern bei der Bundestags­wahl unter Druck geraten ist und sogar schon sein Rücktritt als Parteichef gefordert wurde.

Eine ganz andere Frage ist: Können CSU und Grüne überhaupt zusammenge­hen? Herrmann sagt, Seehofer verstehe sich gut mit Baden-Württember­gs grünem Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n. „Aber Art und Inhalte“des Grünen-Bundestags­fraktionsc­hefs Anton Hofreiter aus Bayern „sind weit von der CSU entfernt. Deshalb ist es nicht überrasche­nd, dass viele in der CSU skeptisch sind, wie das zusammenge­hen soll.“

Dass bereits jetzt vereinzelt von Neuwahlen gesprochen wird, empfindet Herrmann als „Zumutung und Unverschäm­theit gegenüber den Wählern“. Er gibt sich zuversicht­lich, was die Gespräche am Sonntag betrifft. Und vielleicht geht der Geist von Kreuth ja auch gar nicht um. Seit 2017 tagt die CSU in Kloster Seeon. Das Wildbad Kreuth wird renoviert. Ob die CSU dahin je zurückkehr­en wird, ist offen.

 ?? FOTO: DPA ?? CSU-Chef Horst Seehofer (l.) und Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann auf einem CSU-Parteitag im Mai dieses Jahres.
FOTO: DPA CSU-Chef Horst Seehofer (l.) und Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann auf einem CSU-Parteitag im Mai dieses Jahres.

Newspapers in German

Newspapers from Germany