Rheinische Post Erkelenz

Angriff der digitalen Assistente­n

- VON FLORIAN RINKE

Systeme wie Google Home oder Alexa von Amazon erobern weltweit die Wohnzimmer – und könnten nicht nur dort eine große Rolle spielen. Morgen wird Google wohl einen neuen intelligen­ten Lautsprech­er vorstellen.

DÜSSELDORF Früher half ein Makler bei der Wohnungssu­che, in Zukunft Alexa: Mit dem Sprachassi­stenten von Amazon lassen sich jetzt auch Wohnungen bei dem Immobilien­portal Immowelt suchen.

Immer mehr Unternehme­n bieten inzwischen entspreche­nde Anwendunge­n an, sie sprießen aus dem Boden wie vor ein paar Jahren die Angebote in den App-Stores der Smartphone­s. Denn Sprachsteu­erungen scheinen die nächste Revolution der Technik-Branche zu sein.

Inzwischen tummeln sich eine ganze Reihe intelligen­ter Lautsprech­er auf dem Markt – von Google, Amazon und demnächst auch von Apple. Und ebenso regelmäßig wie die Smartphone­s werden inzwischen die Lautsprech­er aktualisie­rt.

Morgen will das US-Unternehme­n Google Neuheiten vorstellen. Erwartet wird, dass neben einer neuen Version des Smartphone­s „Pixel“auch eine überarbeit­ete Fassung des intelligen­ten Lautsprech­ers Google Home gezeigt wird.

Zuletzt hatte auch Konkurrent Amazon neue Modelle seiner „Echo“-Lautsprech­er präsentier­t. Über die Lautsprech­er lassen sich per Sprache Anweisunge­n an Amazons künstliche Intelligen­z Alexa geben, eine Art persönlich­e Assistenti­n. Im November startet außerdem in Deutschlan­d der Verkauf von Echo Show. Mit diesem kann man dann nicht nur Musik hören, das Wetter erfragen oder das Licht steuern. Dank eines eingebaute­n kleinen Bildschirm­s und einer Kamera lassen sich beispielsw­eise auch Videotelef­onate führen.

„Die Fortschrit­te beim maschinell­en Lernen in den vergangene­n Jahren sorgen dafür, dass Computer immer besser darin geworden sind zu verstehen, was Menschen sagen“, schrieb zuletzt Benedict Evans, Partner bei Andreesen Horowitz, einem der wichtigste­n Risikokapi­tal-Geber der Welt.

Die digitalen Sprachassi­stenten könnten dadurch langfristi­g zum permanente­n Begleiter der Menschen werden: Im Haus über Lautsprech­er, unterwegs über das Smartphone oder sogar als fester Bestandtei­l von Fahrzeugen.

Auf der Automesse IAA präsentier­te zuletzt Audi-Chef Rupert Stadler die Vision des Autoherste­llers einer vernetzten Zukunft. „Pia“hieß die künstliche Intelligen­z, mit der Autofahrer kommunizie­ren können: Pia rät zum Beispiel über das Smartphone, früher loszufahre­n, weil die Straßen voll sind. Pia empfiehlt während der Fahrt aufgrund der Vorlieben des Fahrers Musikstück­e und natürlich erkennt Pia, wer ins Auto einsteigt und kann basierend auf Erfahrunge­n Sitze, Spiegel, Temperatur einstellen.

Von wem am Ende die Technik stammt, die dies alles möglich macht, ist noch nicht entschiede­n, heißt es in Ingolstadt: „Wir sind vollkommen offen.“Auch Konkurrent­en wie BMW experiment­ieren bereits mit verschiede­nen Angeboten – auch mit Amazons Alexa.

Die Offenheit ist nötig, denn bislang ist nicht absehbar, ob sich eine Sprachassi­stenz durchsetzt oder ob mehrere parallel existieren werden. Denn Amazons Alexa erobert zwar immer mehr Wohnzimmer (Schätzunge­n zufolge wurden inzwischen rund 15 Millionen Geräte verkauft) und ist technisch Konkurrenz­systemen wie Apples Siri überlegen. Doch verglichen mit Apple und Google fehlt der direkte Zugang zum wichtigste­n Kommunikat­ionsknoten­punkt: dem Smartphone.

Durch die Sprachsteu­erungen entstehen neue Plattforme­n – und wer diese kontrollie­rt, dominiert die Konkurrenz. Denn schon bei den Suchmaschi­nen-Ergebnisse­n hat sich gezeigt, dass ein Großteil der Nutzer auf einen der ersten drei angezeigte­n Links klickt. Durch Sprachsteu­erungen könnte es irgendwann nur noch eine Antwort geben, sofern der Nutzer nicht nach Alternativ­en fragt. Das macht es so herausford­ernd – und für den AllesVerkä­ufer Amazon so spannend.

Sogar die persönlich­e Beratung im Laden könnte überflüssi­g werden, weil der Kundenbera­ter bereits im Wohnzimmer steht. Mit Mikrofon und Kamera. Viele mögen diese Vision als gruselig empfinden, doch auch beim Smartphone haben die Vorteile dazu geführt, dass Menschen die Risiken einer theoretisc­hen permanente­n Überwachun­g ignorieren. Und es gibt ja pragmatisc­he Lösungen. Ein Vorstand eines Tech-Unternehme­ns sagte zuletzt: „Wenn ich Alexa nicht brauche, ziehe ich den Stecker.“

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