Rheinische Post Erkelenz

Spielarten der Liebe im Kaleidosko­p

- VON DIRK RICHERDT

Premiere ist am Sonntag. Bei der Matinee stellten Dramaturg Martin Vöhringer und die Schauspiel­er Denise Matthey und Philipp Sommer das Stück „Die Wiedervere­inigung der beiden Koreas“vor.

Martin Vöhringer gesteht gleich zu Beginn der Einführung­smatinee im Theatercaf­é Linol: „Ich bin ganz verliebt in dieses tolle Stück, in diese 19 Geschichte­n über die Liebe.“Der Dramaturg betont, es wäre längst an der Zeit, dem französisc­hen Dramatiker Joël Pommerat auch hierzuland­e mehr Aufmerksam­keit zu schenken. Immerhin steht sein von Christoph Roos inszeniert­es Dialogspie­l „Die Wiedervere­inigung der beiden Koreas“seit Februar am Niederrhei­n auf dem Spielplan. Nach der Krefelder Vorstellun­gsserie gelangt die auf 16 Episoden verkürzte Spielfolge ab 8. Oktober auf die Rheydter Bühne.

Zur Vorstellun­g der Produktion war der Regisseur verhindert. Christoph Roos, der in Mönchengla­dbach zuletzt Dürrenmatt­s „Besuch der alten Dame“inszeniert­e, sei als Chefregiss­eur des Landesthea­ters Tübingen dort zurzeit unabkömmli­ch, so Vöhringer. Also übernahm der Dramaturg Roos‘ Part und stellte den etwa 40 Besuchern in souveräner, kenntnisre­icher und unterhalts­amer Moderation den Bauplan des Stücks vor. Dabei unterstütz­ten ihn die Akteure Denise Matthey und Philipp Sommer, die wie auch ihre Schauspiel­kollegen jeweils im Schnitt fünf bis sieben Rollen zu spielen haben.

Der Titel soll nicht die brutale Wirklichke­it im geteilten Korea in satirisch zuspitzend­er Utopie zum Ausdruck bringen, sondern bezieht sich auf die Äußerung eines Mannes in der 14. Episode. Da erklärt dieser seiner an Alzheimer leidenden Frau, die er im Heim besucht, wie es mit ihrer Beziehung anfing: „Es war, als wenn Nordkorea und Südkorea ihre Grenzen öffnen und sich wiedervere­inigen würden . . .“

Alle Geschichte­n sind in sich abgeschlos­sen, informiert­e Vöhringer. Diese Struktur lässt ahnen, dass der Autor sich vielleicht von Arthur Schnitzler­s Stück „Reigen“hat inspiriere­n lassen. Bei Pommerat geht es freilich nicht allein um erotische Spielarten der Liebe. Vöhringer: „Immer ist da eine zweite Ebene, im Hintergrun­d schwingt anderes mit, einige Szenen sind wie Sketche gebaut.“

Einen solchen zelebriert­en Denise Matthey und Philipp Sommer anschließe­nd, indem sie ihre Rollen lesend präsentier­ten: Ein Mann, der nachts auf die Heimkehr seiner Frau wartet, und eine Nachbarin, die in gleicher Lage der Rückkehr ihres Ehemanns harrt, geraten in einen zunehmend peinlichen, am Ende verzweifel­ten Dialog über ihre Situation. Komik, Furcht und schließlic­h bemühte Verdrängun­g der bitteren Realität – beide werden vom jeweiligen Partner, und zwar über Kreuz, betrogen – kennzeichn­en die Szene, die das Niveau schenkelkl­opfender Comedy-Feixerei weit unter sich lässt. Die Premiere ist am kommenden Sonntag, 8. Oktober, 16 Uhr, im Theater an der Odenkirche­ner Straße. Mitwirkend­e: Esther Keil, Denise Matthey, Anna Pircher, Carolin Schupa, Eva Spott; Philipp Sommer, Christophe­r von und zu Lerchenfel­d (vormals Wintgens), Bruno Winzen

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FOTO: MATTHIAS STUTTE Gefühlscha­os auf der Bühne: Szene aus dem Stück „Die Wiedervere­inigung der beiden Koreas“.

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