Rheinische Post Erkelenz

Lehrer Schleberge­r erklärte Volksliede­r und Bierbrauen

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EICKEN Im dritten Schuljahr waren die Schieferta­feln durch Hefte abgelöst worden. Statt des Milchgriff­els wurde der „Geha – Füller mit Reservetan­k“in die Hand genommen. Der Umgang mit dem Schreibger­ät war sehr gewöhnungs­bedürftig, was sich in Tintenklec­ksen in den Aufgabenhe­ften bemerkbar machte. Die Schreibute­nsilien, Zirkel, Winkelmess­er, Lineal und ein Sortiment von etwa zwölf Farbstifte­n hatte ich in einer braunen Ledermappe mit Reißversch­luss verstaut.

Wir hatten den Klassenrau­m gewechselt. Endlich waren wir auch die schrägen Klassenpul­te und Bänke los. Stattdesse­n saßen wir auf Stühlen. Diese waren wie die Tische in Grün gehalten und mit einer Schleiflac­k-Glasur versehen. Für unsere Unterweisu­ng trug jetzt der Lehrer Anton Schleberge­r die Verantwort­ung. Er war ein 64-jähriger Pädagoge, der eine Armverletz­ung aus dem Ersten Weltkrieg hatte. Dieser Lehrer warf, sobald er jemanden bei einer Unachtsamk­eit gewahrte, einen Stock durch den Klassenrau­m, der kurz vor dem Störer zum Liegen kam. Man hatte die Pflicht, den Stock nach vorne zum Lehrerpult zu bringen, um sich, sofern man ein Knabe war, ein paar Schläge auf das Gesäß abzuholen.

Unser Lehrer spielte uns trotz seiner Behinderun­g dann und wann etwas auf der Geige vor. Auch unterricht­ete er uns im deutschen Liedgut. Er war ein Bewunderer von Hermann Löns. Wir bekamen erklärt, dass zum Bierbrauen neben dem Wasser auch Hopfen und Malz erforderli­ch sind. In echt deutscher und patriotisc­her Gesinnung wurden uns von ihm alle drei Strophen des Deutschlan­dliedes beigebrach­t und erklärt, dass Deutschlan­d nur in den Herzen der Bürger „über alles“stehen sollte.

Wir hatten nun auch „Heimatkund­e“. Das alte Gladbacher Stadtwappe­n wurde uns hinsichtli­ch der darin abgebildet­en Symbole erklärt. Seitdem weiß ich, dass die Niers in Kuckum entspringt und von dort aus nordwestli­ch in Richtung Kleve f ließt. Lehrer Schleberge­r liebte die Natur. Er brachte uns bei, wie man eine Meisengloc­ke zur Winterfütt­erung der Vögel bastelt. Auch habe ich erfahren, wie Strauchboh­nen im Garten anzupflanz­en sind. Ich habe dies in unserem Garten auch versucht: Erde umgegraben, Bohnen in die Erde, gut angegossen, Kordel schräg nach oben gespannt. Die Arbeit wurde von meinen kleineren Vettern und Cousinen, die im Garten spielten, zerstört.

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