Rheinische Post Erkelenz

Mit Blumen zu den Honeckers

- VON MARTIN WEBER

Eine ARD-Komödie erzählt, wie sich ein Reporter eine Exklusivst­ory erschlich.

BERLIN Sein Einstieg in den Journalism­us war ein bemerkensw­ertes Schelmenst­ück: Weil der junge Kellner Mark Pittelkau unbedingt zur „Bild“-Zeitung wollte, besorgte er dem Boulevardb­latt kurz nach der deutschen Wiedervere­inigung eine Exklusivst­ory. Der Möchtegern-Reporter gab sich als Jungkommun­ist aus, erschlich sich so das Vertrauen von Erich Honecker und besuchte den einst mächtigste­n Politiker der untergegan­genen DDR im chilenisch­en Exil für ein letztes Interview. Der sensatione­lle Coup gelang, die „Bild“hatte im Sommer 1993 eine saftige Story, und Pittelkau bekam einen Job bei der Boulevardz­eitung.

Die ARD hat das Bubenstück verfilmt und eine Politkomöd­ie zum Tag der Deutschen Einheit daraus gemacht: In „Willkommen bei den Honeckers“spielt „Tatort“-Star Martin Brambach den von Alter und Krankheit gezeichnet­en Erich Honecker und Johanna Gastdorf dessen immer noch gefährlich­e Frau Margot. Das verbittert­e Ehepaar Honecker hat jedoch erst im letzten Drittel des Spielfilms seinen Auftritt – schade, denn der in Chile spielende Teil der Politposse ist mit Abstand der beste.

Der aus der Erfolgsser­ie „Charité“bekannte Nachwuchss­tar Max Bretschnei­der spielt den Kellner und Möchtegern-Reporter mit einer wunderbare­n Mischung aus Verschlage­nheit und Naivität. Der Film erzählt auch die Geschichte eines ehemaligen DDR-Bürgers, der im wiedervere­inigten Deutschlan­d schnell begreift, worauf es ankommt – und keine Scheu davor hat, auch ungewöhnli­che Wege zu gehen.

Martin Brambach gibt den alten Honecker als leicht vertrottel­ten Greis, der aus der Geschichte nichts gelernt hat und genau wie seine Frau Margot keinerlei Reue zeigt, was die Mauertoten betrifft. Die Szenen im bescheiden­en Häuschen der beiden in Chile sind die stärksten des Films, haben aber auch einen unguten Beigeschma­ck: Honecker erscheint in ihnen als bedauernsw­erter alter Mann, dessen Gutmütigke­it von einem skrupellos­en jungen Karrierist­en schamlos ausgenützt wird – eine Opferrolle, die nicht so recht zur historisch­en Figur des früheren DDR-Machthaber­s passen will. „Willkommen bei den Honeckers“, Das Erste, 20.15 Uhr

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FOTO: DEGETO Kaffee, Kuchen, rote Nelken: Margot Honecker (Johanna Gastdorf) verfolgt misstrauis­ch, wie sich Johann Rummel (Max Bretschnei­der, r.) in das Herz ihres Mannes Erich (Martin Brambach) schleicht.

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