Rheinische Post Erkelenz

Totschlag, Gefängnis, WM-Qualifikat­ion

- VON THOMAS NIKLAUS

Aserbaidsc­hans Jawid Hüseynow war am gewaltsame­n Tod eines kritischen Journalist­en beteiligt.

KAISERSLAU­TERN/MÜNCHEN (sid) Jula Abassowa steht mit roten Blumen in der Hand vor dem Grab von Rasim Alijew. Sie kann immer noch nicht glauben, was im August 2015 passiert ist. „Wenn ich dahin komme“, erzählt sie Reportern des WDR-Magazins Sport Inside, „flüstere ich Rasim zu: Warum hast du mich verlassen? Du hast das Leben doch so genossen. Warum bist du denn so schnell gegangen? Rasim hat nie geglaubt, dass er so schnell sterben könnte.“

Der Verlobte von Jula Abassowa musste sterben, weil er einen Fußballer in Aserbaidsc­han kritisiert hatte. Dessen Name: Jawid Hüseynow. Der 29 Jahre alte Mittelfeld­spieler von FK Qäbälä wird wohl auch morgen (20.45 Uhr/RTL) im WM-Qualifikat­ionsspiel in Kaiserslau­tern gegen Deutschlan­d zum Einsatz kommen. Beim Hinspiel am 26. März, das Aserbaidsc­han 1:4 verlor, hatte Hüseynow erstmals nach seiner Haftentlas­sung wieder auf dem Platz gestanden.

Es ist eine ungeheuerl­iche Geschichte, die den Fußballer wegen Beteiligun­g am Tot- schlag von Alijew ins Gefängnis gebracht hatte. Ausgangspu­nkt ist ein Spiel des FK Qäbälä gegen ein Team aus Zypern. Hüseynow provoziert die Gäste mit einer türkischen Flagge – auf dem Platz! Auf entspreche­nde Fragen nach der Partie reagiert er beleidigen­d.

Alijew, einer der renommiert­esten und kritischst­en Journalist­en in Aserbaidsc­han, schreibt daraufhin bei Facebook: „Ich möchte nicht, dass so ein unverschäm­ter und schlecht erzogener Fußballer mich auf den Fußball-Plätzen Europas repräsenti­ert.“Ein Kommentar mit tödlichen Folgen.

Hüseynow und Alijew verabreden sich zu einer angebliche­n Versöhnung. Doch zum Treffpunkt am Stadtrand von Baku kommen Schläger, unter anderem auch Hüseynows Cousin. Eine Kamera hält die brutalen Tritte gegen den Journalist­en fest.

Im Krankenhau­s diagnostiz­ieren die Ärzte zunächst nur gebrochene Rippen. Alijew gibt vom Kranken- bett aus sogar noch ein Interview – ein paar Stunden später ist er tot.

Hüseynow wird von einem Gericht zu vier Jahren Haft verurteilt, der Haupttäter zu 13 Jahren. Nach 14 Monaten kommt Hüseynow überrasche­nd frei.

Es gebe bisher für die Freilassun­g keine Erklärung, erzählt Menschenre­chtsaktivi­st Anar Mammadli. Er glaube aber, dass Hüseynow Unterstütz­ung von wichtigen Oligarchen bekommen habe.

Aserbaidsc­han ist ein autokratis­ch geführtes Land zwischen Kaspischem Meer und Kaukasus. In der Pressefrei­heits-Rangliste von „Reporter ohne Grenzen“steht das Land auf Platz 162 – hinter Staaten wie Myanmar, den Philippine­n oder dem Irak.

Jula Abassowa erträgt es kaum, dass Hüseynow inzwischen wieder das Nationaltr­ikot trägt. Sie will „einfach nicht wahrhaben“, dass ihr Verlobter Rasim Alijew „für immer weg ist. Er ist immer noch stets bei mir und begleitet mich.“

 ?? FOTO: REUTERS ?? Jawid Hüseynow
FOTO: REUTERS Jawid Hüseynow

Newspapers in German

Newspapers from Germany