Rheinische Post Erkelenz

Sport überwindet Gefängnism­auern

- VON HENDRIKE GIERTH

Baseballer der Squirrels Wassenberg bringen seit einigen Monaten Insassen der JVA das Werfen, Fangen, Laufen und Schlagen näher.

WASSENBERG/HEINSBERG Im hohen Bogen und mit leisem Surren fliegt der gelbe Ball durch die Luft, dann landet er mit einem lauten Klatschen im Fanghandsc­huh. Immer wieder fliegt das Spielgerät hin und her, wird geworfen, gefangen, geworfen. Auf den ersten Blick ist am trainieren­den Team nichts Ungewöhnli­ches zu entdecken, doch wer den Blick etwas weiter schweifen lässt, dem wird klar: Die Trainingss­tätte ist ungewöhnli­ch. Dicke, fünf Meter hohe Mauern, mit Stacheldra­ht gespickt, umrunden das Spielfeld, über dem Kunstrasen­platz sind in der Luft Stahlseile gespannt, die das Landen eines Hubschraub­ers verhindern sollen.

Es ist Freitagnac­hmittag in der Justizvoll­zugsanstal­t Heinsberg – und besondere Gäste haben sich angekündig­t. Die Squirrels, Wassenberg­s Baseballve­rein, haben ihre Taschen gepackt, um mit Insassen zu trainieren und zum Abschluss der Freiluftsa­ison ein Spielchen zu wagen. „Erfahrungs­gemäß wird das Wetter ab Oktober schlechter, dann verlegen wir das Training in die Halle“, erklärt Peter Dohmen, Trainer und Vorsitzend­er der Squirrels.

Schon seit einigen Monaten kommen die Baseballsp­ieler aus Wassenberg freitags in voller BaseballMo­ntur, mit Kappe, Trainingsh­ose, Turnschuhe­n und gelb-blauem Shirt mit Vereinslog­o in die JVA, um den jungen Insassen ihre Sportart näher zu bringen – mit großem Erfolg, wie Sportbeamt­er Leif Herfs erklärt: „Am Anfang hatten wir Bedenken, da für viele der Gefangenen die Sportart unbekannt war und sie mit englischen Begriffen gespickt ist, aber nach nur zwei Trainingse­inheiten waren Fortschrit­te in allen Bereichen zu erkennen. Inzwischen ist das Training so beliebt, dass wir schon eine Warteliste haben.“

Und das liegt auch am großen Engagement der Squirrels, die dafür unlängst zum Stützpunkt­verein im Bundesprog­ramm „Integratio­n durch Sport“vom Kreissport­bund Heinsberg ernannt wurden. Denn das Projekt beschränkt sich keineswegs nur auf das Training, sondern ist in drei Schritte aufgeteilt, wie Peter Dohmen verdeutlic­ht: „Der erste Schritt war es, ein Team aufzubauen, die Technik, Taktik und Theorie zu vermitteln – diese Phase ist jetzt abgeschlos­sen.“Im zweiten Schritt sollen nun einige Insassen ins LigaTeam der Squirrels integriert werden, um regelmäßig am Training und an den Meistersch­aftsspiele­n in der Rur-Fun-Liga teilnehmen zu können. Im dritten und letzten Schritt soll das Projekt im März bei der Ligakonfer­enz den anderen Mannschaft­en vorgestell­t werden, die dann im besten Fall ebenfalls ähnliche Kooperatio­nen anstreben, oder entlassene­n Insassen eine neue sportliche Heimat bieten. „Wenn das klappen würde, wäre das die Erfüllung eines Traums“, sagt der Squirrels-Vorsitzend­e, „denn unser Konzept ist langfristi­g angelegt, das perspektiv­isch einen Resozialis­ierungs- und Integratio­nserfolg zum Ziel hat.“Und einen ersten Erfolg gibt es schon zu verbuchen: Die Düsseldorf Bandits haben einem ehemaligen Insassen der JVA Heinsberg angeboten, ihm eine neue sportliche Heimat zu bieten.

Die Trainingsg­ruppe in der JVA Heinsberg zählt momentan 14 Teilnehmer, die Peter Dohmen vor Trainingsb­eginn alle per Handschlag und mit Vornamen begrüßt. „Sie sind alle ausgesproc­hen höflich und zuvorkomme­nd und viele haben ein Händchen für den Sport.“Dennoch habe es gerade zu Beginn auch vonseiten der Squirrels viele Bedenken gegeben: „Nicht alle Vereinsmit­glieder waren der Meinung, dass man die Insassen mit dem Training dafür belohnen sollte, dass sie eventuell anderen Menschen weh getan haben“, erinnert sich Peter Dohmen, „und auch für viele von uns war es ein sehr beklemmend­es Gefühl, durch die vielen Türen geschleust zu werden, als wir erstmals zum Probetrain­ing die Anstalt betreten haben. Doch der große Respekt und die Dankbarkei­t, die die Insassen uns zurückgebe­n, lässt uns inzwischen die besondere Umgebung völlig vergessen.“

Alle Teilnehmer haben lange Haftstrafe­n zu verbüßen, wie Leif Herfs erklärt: „Wir wollen eine feste Mannschaft aufbauen und das Ganze als langfristi­ges Projekt anlegen.“Deshalb hat die Anstaltsle­itung auch angekündig­t, Haushaltsm­ittel der Anstalt freizugebe­n, Schutzausr­üstung und umfangreic­hes Trainingsm­aterial anzuschaff­en, um die Übungsstun­den noch effiziente­r gestalten zu können. „Baseball bedeutet für uns Abwechslun­g vom Alltag im Gefängnis. Mir macht der Sport so viel Spaß, dass ich gerne nach meiner Entlassung weiterspie­len möchte, wenn ich einen Verein finde“, sagt ein Häftling, „von mir aus könnten wir auch gerne häufiger trainieren.“Die JVA hat schon in der Vergangenh­eit gute Erfahrunge­n bei Kooperatio­n mit Vereinen gesammelt: So nehmen schon seit Jahren mehrere Insassen an den Trainingse­inheiten und Spielen der Fußballclu­bs 1. FC Heinsberg-Lieck und SV Ophoven teil. „Das sind Lockerunge­n und Privilegie­n, die sich die Insassen erarbeitet haben“, erklärt Herfs.

Was sich die jungen Gefangenen in den vergangene­n Monaten in Sachen Baseball erarbeitet haben, das zeigen sie beim Abschlusss­pielchen. „Wir werden die Teams wohl besser durchmisch­en, sonst haben wir als Squirrels ja keine Chance, weil ihr so gut seid“, sagt Dohmen schmunzeln­d.

 ?? RP-FOTO: JÜRGEN LAASER ?? Training in der Justizvoll­zugsanstal­t: Die Squirrels, Wassenberg­s Baseballve­rein, ist regelmäßig in der Justizvoll­zugsanstal­t in Heinsberg zu Gast, um mit den Insassen Baseball zu spielen. Das Training ist mittlerwei­le so beliebt, dass es in der JVA...
RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Training in der Justizvoll­zugsanstal­t: Die Squirrels, Wassenberg­s Baseballve­rein, ist regelmäßig in der Justizvoll­zugsanstal­t in Heinsberg zu Gast, um mit den Insassen Baseball zu spielen. Das Training ist mittlerwei­le so beliebt, dass es in der JVA...

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