Rheinische Post Erkelenz

Das Gedenken lebendig halten

- VON ANGELA RIETDORF

Schüler des Berufliche­n Gymnasiums putzen die Stolperste­ine in Alt-Gladbach.

An der Humboldtst­raße 27 haben August Meyer, Henriette Stern und Selma Robens gelebt, bevor sie deportiert und ermordet wurden. An der Kaiserstra­ße 133 wohnten Leon und Margarete Herzberger, bevor auch sie verschlepp­t und in Lodz umgebracht wurden. Stolperste­ine auf dem Gehweg vor ihrer letzten Wohnung erinnern an diese jüdischen Bürger der Stadt und an viele andere, die der Nazi-Herrschaft zum Opfer fielen. Stolperste­ine, die im Laufe der Zeit immer mehr Ruß annehmen und unkenntlic­her werden – bis sie jemand putzt, um die Erinnerung wach und das Gedenken lebendig zu halten. Die nur dann die Seele ins Stolpern bringen können, wenn sie wahrgenomm­en werden.

Sechs Schüler des Berufliche­n Gymnasiums des Berufskoll­egs am Platz der Republik haben sich deshalb gemeinsam mit ihrem Religi- onslehrer Pfarrer Reiner Pleißner auf den Weg gemacht. Sie hatten Wasser und Schwämme, Handschuhe und Putzmittel dabei. Und eine Liste der 112 Stolperste­ine, die bisher in Alt-Gladbach verlegt wurden. Den Anfang machten sie an der Humboldt- und der Kaiserstra­ße. Sie putzten die insgesamt fünf dort verlegten Steine, bis sie wieder glänzen.

Dann teilten sie sich in Zweiergrup­pen auf und suchen all die Stolperste­ine auf, die in der Nähe der ehemaligen Synagoge liegen. In der darauffolg­enden Woche machten sie sich noch einmal auf den Weg, um auch noch die übrigen Steine in Alt-Gladbach zu reinigen, die Namen, Geburts- und Todesjahre wieder gut lesbar werden zu lassen.

Die sechs 17- und 18-jährigen Schüler haben sich im Religionsu­nterricht mit dem Judentum und mit den Wurzeln des Antisemiti­smus beschäftig­t. In dem Jahr, in dem sich die Reformatio­n zum 500. Mal jährt, stand auch die Auseinande­rsetzung mit Luthers finsterem Antisemiti­smus auf dem Programm. „Wir haben zum Beispiel über die Darstellun­g der Judensau an einer Kirche in Wittenberg diskutiert und auch Luthers Text ,Über die Juden und ihre Lügen’ gelesen“, erklärt Matteo.

Wie weit weg oder wie nah ist für die Schüler der Informatik­klasse des Berufliche­n Gymnasiums denn das Thema Antisemiti­smus? „Das ist nicht so weit weg“, sagt Noah. „Nach dieser Wahl, bei der so viele AfD gewählt haben, ist es notwendig, sich an den Schrecken zu erinnern. Sonst könnte es sich wiederhole­n.“Es sei wichtig, das Thema zu benennen, meint Matteo. „Das ist deutsche Geschichte.“

„Wir wollten bei allen Feierlichk­eiten die dunklen Seiten des Reformator­s Luther nicht vergessen“, sagt Pfarrer Pleißner. „Vor allem wollen wir aber auch in Mönchengla­dbach das Bewusstsei­n und die Erinnerung wachhalten.“

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FOTO: ANGELA RIETDORF Mit Schwämmen haben die Schüler des Berufliche­n Gymnasiums des Berufskoll­egs am Platz der Republik die Steine gesäubert.

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