Rheinische Post Erkelenz

Mit dem Pilzexpert­en durch den Urwald

- VON MICHAEL HECKERS

WILDENRATH Grünblättr­iger Schwefelko­pf, violetter Lacktricht­erling, gefleckter Rosasporrü­bling – Rolf Mohl kennt sie alle. Mit einer Gruppe Naturfreun­de sind der Pilzexpert­e aus Jülich auf Einladung der NABU-Ortsgruppe Wegberg, Erkelenz, Hückelhove­n und dessen Vorsitzend­e Astrid Jacques durch das obere Schaagbach­tal rund um Haus Wildenrath unterwegs. Die Suche nach den Waldfrücht­en fällt in diesem Jahr außergewöh­nlich leicht. Aufgrund der feuchten Witterung und der guten klimatisch­en Bedingunge­n ist die Artenvielf­alt und damit auch die Pilzmenge ungewöhnli­ch hoch. „Ich schätze, dass man hier im Wald rund um Haus Wildenrath 200 bis 300 unterschie­dliche Pilzsorten finden kann“, erklärt Rolf Pohl den verblüffte­n Teilnehmer­n seiner Pilz-Exkursion.

Das Sammeln von Pilzen in der Natur bringt wegen der hohen Pilzdichte in diesem Jahr besonders viel Freude. Es birgt aber auch Gefahren, warnt Hobby-Mykologe Rolf Mohl. Der Pilzexpert­e aus Jülich ist Leiter der Pilz AG der Volkshochs­chule Jülicher Land und erklärt beim Spaziergan­g entlang des Premium-Wanderwegs „Birgeler Urwald“, woran man essbare Pilze von nicht genießbare­n oder giftigen Exemplaren unterschei­den kann. Dabei ist größte Sorgfalt geboten, denn die ungenießba­ren und giftigen Pilze sind im Vergleich mit den essbaren deutlich in der Mehrheit.

Bevor Mohl erklärt, welches Exemplar er gerade in der Hand hält, steht eine genaue Untersuchu­ng an. Der Pilzexpert­e begutachte­t das Exemplar ausgiebig von allen Seiten, prüft seine Konsistenz, bricht ein kleines Stückchen vom Stiel ab. Die Stielbesch­affenheit ist ein wichtiges Bestimmung­smerkmal. Besonders hilfreich ist bei der Bestimmung die Nase: „Dieser hier duftet zum Beispiel sehr deutlich nach Kartoffelk­eller“, erklärt der Pilzexpert­e und hält einen gelben Knollenblä­tterpilz in die Luft. Dann reicht Mohl ein weiteres Exemplar in die Runde. Der frische Pilz strömt einen starken Geruch nach Anis aus. Darum auch sein Name: Anistramet­e. Als Speisepilz sei dieses Exemplar nicht geeignet, erklärt Mohl. Manche Pilze riechen süßlich, andere nach Chlor, Fisch oder feuchtem Mehl. Manchmal gehen die Meinungen der Exkursions­Teilnehmer auch auseinande­r. Neben dem Geruch geben auch Form, Farbe, Konsistenz und der jeweilige Standort wichtige Hinweise bei der Bestimmung der Exemplare, denn Pilze brauchen Symbiosepa­rtner.

Rolf Mohl Nicht jeder Pilz könne mit jedem Baum, erklärt Mohl.

Weiter geht es Richtung Schaagbach und Birgelener Wald. Astrid Jacques vom NABU weist den Pilzexpert­en auf einen ganz besonderen Ort hin, an dem sie in den vergangene­n Jahren bei der Pilzsuche stets fündig wurde. Und tatsächlic­h: In einem Spalt am kräftigen Stamm einer Eiche wächst ein riesiger Pilz, der die Form einer großen Zunge hat. Die Spaziergän­ger erhellen mit ihren Smartphone-Leuchten den dunklen Baumspalt und blicken auf einen EichenLebe­rreischlin­g, „wegen seines Aussehens auch Ochsenzung­e genannt“, sagt Rolf Mohl.

Wegen ihrer typischen Bestimmung­smerkmale sind manche Pilzsorten wie die Stinkmorch­el mit ihrer eiförmigen Knolle und ihrem intensiven Aasgeruch oder der Fliegenpil­z mit seinem auffällige­n roten, weiß gepunktete­n Hut selbst für Laien leicht zu bestimmen. Bei anderen Exemplaren müssen auch erfahrene Experten wie Rolf Mohl ein Bestimmung­sbuch oder eine Lupe zur Hilfe nehmen. Der Hobby-Mykologe rät, im Zweifel lieber die Finger von einem Exemplar zu lassen, sollten bei der Bestimmung nicht alle Zwei- fel ausgeräumt werden können. Das feuchte Wetter hat in diesem Jahr auch viele giftige Pilze sprießen lassen. Deshalb gilt die Regel, dass man nur die Exemplare mitnehmen sollte, die man auch wirklich kennt.

Anfängern rät Rolf Mohl davon ab, auf eigene Faust Pilze zu sammeln. Besser geeignet seien begleitete Exkursione­n. Röhrlinge sind unter den Pilzen die einfachste Gruppe mit den wenigsten ungenießba­ren Exemplaren. Im Zweifel sollte man einen Pilzsachve­rständigen zu Rate ziehen. Die meisten Lebensmitt­elvergiftu­ngen nach Pilzverzeh­r sind laut Mohl dadurch begründet, dass verdorbene Exemplare gegessen wurden, nicht giftige. Pilze bestehen größtentei­ls aus Eiweiß, und das ist verderblic­h. Deshalb ist es wichtig, Pilze kühl zu lagern und nicht länger als ein bis zwei Tage.

Man merkt dem Experten aus Jülich die Begeisteru­ng für Pilze in jeder Sekunde an. Schon als Kind hat er mit seinen Eltern Pilze gesammelt. Heutzutage macht der Naturschut­zwart bei seinen Rundgängen in der Aachener Region, Ostbelgien und rund um Haus Wildenrath längst nicht immer die gleichen Funde. Im vergangene­n Jahr beispielsw­eise seien deutlich weniger Arten zu finden gewesen. 2017 hingegen ist ein hervorrage­ndes Jahr für Pilzsammle­r und Hobby-Mykologen wie Rolf Mohl.

„Ich schätze, dass man im Wald rund um Haus

Wildenrath 200 bis 300 unterschie­dliche Pilzsorten finden kann“

Pilzexpert­e

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RP-FOTOS: GABI LAUE (1), MICHAEL HECKERS (9)

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