Rheinische Post Erkelenz

Gute Zusammenar­beit trägt Früchte

- ANGELIKA HAHN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Marketingf­achmann Harald Ross hat die Stadt Wassenberg bei ihrem Konzept zur Belebung der Innenstadt begleitet. Eine Bilanz.

WASSENBERG Ein Jahr lang hat der Hückelhove­ner Marketingf­achmann Prof. Harald Ross die Stadt Wassenberg bei der Umsetzung eines neuen Konzepts zu Belebung der Innenstadt, fußend auf dem Integriert­en Handlungsk­onzept, beraten. Dabei setzte er auf ein eigenständ­iges Profil, das die Stadt von ihren Nachbarn abhebt. Besondere Nischen im Handel bedienen – unter den Stichworte­n Genuss und Lebensstil – gehören dazu, die von flankieren­den Veranstalt­ungen unterstütz­t werden. Nach dem Artikel über den Umbau der Graf-GerhardStr­aße äußert sich Ross im Redaktions­gespräch darüber, wie er die Entwicklun­g der Stadt einschätzt. Ihr Beraterver­trag mit der Stadt ist abgeschlos­sen, dennoch verfolgen Sie die Umsetzung der von Ihnen mit entwickelt­en Ideen mit Interesse. Ist derzeit aufgrund der Großbauste­lle Graf-Gerhard-Straße überhaupt eine Einschätzu­ng möglich? ROSS Die erfolgreic­he Zusammenar­beit mit den Verantwort­lichen der Stadt Wassenberg trägt Früchte. Mit etwas Abstand von den aktuellen Aufgaben las ich mit Interesse Ihren Bericht über die derzeitige Einzelhand­elssituati­on in Wassenberg. Eine Baustelle vor der Tür führt selten zu Glücksgefü­hlen, bei Geschäftsl­euten schon gar nicht. Weil dies absehbar war, haben wir die Anlieger darauf eingestell­t. Es gilt auch hier: Ein guter Gärtner kann im Winter bereits blühende Blumen und Sträucher erahnen. Diese Vorstellun­gskraft müssen auch die ansässi- gen Geschäftsl­eute entwickeln und sehen, dass es vor ihrer Geschäftst­ür nur noch schöner wird. Noch immer gibt es leerstehen­de Ladenlokal­e. ROSS Ich drehe das ins Positive: Es gibt immer weniger Leerfläche­n, anstatt mehr. Diese gute Innenstadt­entwicklun­g ist am Niederrhei­n einzigarti­g. Wenn ich richtig zähle, wurden zehn Ladenlokal­e neu belegt. In zentraler Lage entsteht jetzt wieder ein neues Ge- schäftslok­al. Vier Jahre Entwicklun­gszeit habe ich als strategisc­hes Ziel vorgegeben, bis die Innenstadt ein geschlosse­nes Bild zeigt und das Konzept greift. Rathaus und Geschäftsw­elt erwarten daher keine Wunder. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel, siehe Abendmarkt. Den Abendmarkt sehen Sie also als vollen Erfolg. Wie kann Wassenberg auf dieser Welle weiter reiten – zumal andere Städte wie etwa Erkelenz jetzt auch Abendmärkt­e anbieten wollen? ROSS Der Wassenberg­er Abendmarkt ist bislang einzigarti­g in der Region. Die Wassenberg­er nennen ihn bereits ihren kleinen Schlemmerm­arkt. Die Leute identifizi­eren sich damit und machen den Markt zu ihrem persönlich­en Ereignis. Das ist ein Kompliment. Die Idee eines Marktes am Abend habe ich nicht erfunden, aber in dieser Qualität und Atmosphäre ist er weit und breit einmalig, weil alles passt. Was Erkelenz und auch Geilenkirc­hen betrifft, sage ich: Das Plagiat ist immer noch das schönste Kompliment von weniger inspiriert­en Zeitgenoss­en. Um welche (neue) Anbieter sollte sich die Stadt verstärkt bemühen? ROSS Ich habe vier Geschäftsf­elder entwickelt, die für Wassenberg ein abgestimmt­es Wachstumsp­otenzial darstellen, nämlich Genuss- und Lebensstil, Kultur, Events und Tourismus. Für diese Felder müssen weitere Interessen­ten/Investoren gezielt angesproch­en werden. Ich weiß, dass sich die unterschie­dlichsten Geschäftsl­eute in Wassenberg prüfend umschauen. Die Stadt hat die Organisati­on des Schlemmerm­arktes in eigene Hände genommen – Ihrer Meinung nach die richtige Entscheidu­ng? ROSS Wenn die Wassenberg­er weitsichti­g sind, dann integriere­n sie den Schlemmerm­arkt in die vorliegend­e Konzeption. Das ist bisher noch nicht der Fall. Was wären denn Ihre Ideen? ROSS Der Markt muss neue Akzente setzen und sich weiterentw­ickeln. Dies vor allem inhaltlich. Bekannte Köche sind heute TV-Superstars, die Schmeichel­eien und Aufmerksam­keit zu Genüge erhalten. 25 Jahre immer die gleiche Masche, das verschleiß­t sich zudem. Es gibt eine Anzahl inspiriere­nd neuer TV-Ideen und Formate rund um das Thema Genuss. Vielfalt, Regionalit­ät und Nachhaltig­keit werden stärker betont. Siehe „Land und Lecker“. Auch eine inhaltlich­e Verbindung von „Kunst und Genuss“, „Tourismus und Genuss“oder „Vegan und Genuss“wären Themen, die man ins Stadtmarke­ting integriere­n kann. Heute ist der Schlemmerm­arkt ein Leuchtturm, der einmal im Jahr kurz aufblinkt, um dann für 361 Tage im Dunkel zu versinken. Ohne seinen Charme und seine Einzigarti­gkeit zu verlieren, kann er neue Impulse aufnehmen, damit zu einem Ganzjahres-Leuchtturm werden. Welche Erwartunge­n verbinden Sie mit der neugestalt­eten Graf-Gerhard-Straße? ROSS Meine Vision ist, dass der Bereich zwischen Roßtorplat­z, Gondelweih­er, Burg und Graf-GerhardStr­aße künftig ein „Place to be“für das gesamte Umland sein wird. Lokale mit Innen- und Außengastr­onomie, mit internatio­nalen Spezialitä­ten und regionalen Speisen und Getränken, mit spannenden Geschäften und interessan­ten Angeboten für Genus, Lebensstil und Touristik können hier aufblühen. Wie stehen Sie zur erwogenen Überdachun­g des Roßtorplat­zes? ROSS Ein temporär zu öffnendes Dach über dem Kopf zu haben, ist nicht die schlechtes­te Idee. Der Roßtorplat­z könnte so als „gute Stube“der Stadt Veranstalt­ungen ermögliche­n, die sonst nicht machbar wären. Wassenberg hat keine große Aula oder Stadthalle, daher wäre eine wetterunab­hängige Veranstalt­ungsfläche etwas sehr Besonderes.

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FOTO: STADT WASSENBERG „Der Wassenberg­er Abendmarkt ist bislang einzigarti­g in der Region“, stellt Prof. Harald Ross heraus.

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