Rheinische Post Erkelenz

Blick wie durchs Fenster auf ein Stück Heimat

- VON KURT LEHMKUHL

In der Alten Schule führt das „Heimatfens­ter Holzweiler“das Leben früher und heute im Dorf lebendig vor Augen.

HOLZWEILER Der Blick in die Ausstellun­g in der Alten Schule in Holzweiler fällt zunächst auf die mannshohe Puppe, die die Uniform eines Trommlers trägt. Nicht weit von ihm entfernt steht ein stolzer Schütze mit einer schwarz-rot-goldenen Schärpe, umrahmt von zwei jungen Damen in feierliche­r Tracht. Damit sind zwei Säulen des ehemaligen Dorflebens von Holzweiler dokumentie­rt: die Musik und das Schützenwe­sen. Doch zeigt die Ausstellun­g noch viel mehr. Es gibt ein historisch­es Wohnzimmer, ein Schlafzimm­er, in dem die Heiligenbi­ldchen dominieren, eine Küche mit Kohleofen und altem Geschirr. Alte Regale, Truhen, Vitrinen und Schränke komplettie­ren das Mobiliar. Viele Urkunden, Bilder und Zeitungsau­sschnitte dokumentie­ren das Leben in dem Dorf, dessen erste urkundlich­e Erwähnung aus dem Jahre 898 stammt.

Aber auch die Gegenwart fehlt nicht bei dieser zeitgeschi­chtlichen Reise durch den Ort. Eine Karte mit dem Tagebau Garzweiler II in seiner ursprüngli­chen Ausdehnung mitsamt dem Restsee, der Holzweiler den Garaus bereitet hätte, hängt an der Eingangstü­r, versehen mit der Aufschrift: „So weit darf es nicht kommen.“

„Wir haben hier schon ein gutes Stück Heimatgesc­hichte“, meint der Vorsitzend­e der Dorfgemein­schaft, Johannes Oellers, nach dem Rundgang durch das Erdgeschos­s der Alten Schule, dem sich noch ein Abstecher in das benachbart­e ehemalige Feuerwehrg­erätehaus anschließt. Dort ist ein informativ­es Modell der Kirche und der sie umgebenden Häuserzeil­en aufgebaut, das in beachtlich­er Handarbeit vor einigen Jahren mit großer Liebe zum Detail gebastelt wurde. „Als Museum möchte ich unsere Ausstellun­g nicht bezeichnen. Dafür ist sie zu klein. Deshalb haben wir auch den Begriff Heimatfens­ter gewählt. Bei uns schaut man wie durch ein Fenster auf ein Stück Heimat.“Die erste urkundlich­e Erwähnung von Holzweiler 898 gab den Anstoß zu dieser Ausstellun­g. „Der Ort wollte die 1100-Jahr-Feier begehen in der Erwartung, dass diese Feier das letzte große Jubiläum sein werde, bevor die Braunkohle­bagger anrücken“, erklärte Oellers. Schon 1988, also zehn Jahre vor dem Jubiläumsj­ahr, kam vom in Holzweiler unver- gessenen Lothar Heupts der Vorschlag, alles für eine Ausstellun­g zu sammeln, was für die Dorfgeschi­chte bedeutsam sein könnte.

Seiner Beharrlich­keit ist es zu verdanken, dass tatsächlic­h zum Jubiläum ein großes Fest veranstalt­et und zugleich der erste Ortskalend­er geschaffen werden konnte. Darin waren viele der Fotos und Gegenständ­e abgelichte­t, die der Dorfgemein­schaft von den Bürgern angeboten worden waren; und so kam die Idee zu einer Ausstellun­g. Das Holzweiler Heimatfens­ter war geboren.

„Und es wurde von Jahr zu Jahr größer, weil wir immer mehr Exponate bekamen“, berichtet Dirk Heupts, der Geschäftsf­ührer der Dorfgemein­schaft. Inzwischen verfügt der Verein als Betreiber der Ausstellun­g über so viele Dinge, dass sie gar nicht mehr alle gezeigt werden können. „Aber wir werfen nichts weg“, versichert der Sohn von Lothar Heupts. Zugleich ermöglicht die Vielfalt der Exponate, gelegentli­ch themenbezo­gene Ausstellun­gen anzubieten. Doch ist nicht daran gedacht, das Heimatfens­ter dauerhaft zu öffnen. „Dafür ist unsere Personalde­cke zu dünn.“So ist das Heimatfens­ter in aller Regel zum Georgiusma­rkt, zum Hobbykünst­lermarkt und an den beiden Tagen nach der Maifeier zu besichtige­n.

„Es ist ein schönes Stück Heimat“, meint Oellers. Erst durch das Wissen um die eigene Geschichte werden die Kostbarkei­t und auch die Vergänglic­hkeit der Heimat bewusst. Ursprüngli­ch sollte das Heimatfens­ter diese Heimat bewusst machen vor dem Hintergrun­d der anstehende­n Vernichtun­g des Ortes. Dass es dazu nicht kommt, ist positiv. „Jetzt liegt es an uns, die Zukunft unserer Heimat zu gestalten.“Die Lethargie und die Ungewisshe­it über das Leben woanders müssen dem Willen nach einer gemeinsame­n Gestaltung weichen. „Und schon haben wir ein weiteres Thema für unsere Jubiläumsf­eier im Jahr 2098, wenn Holzweiler 1200 Jahr alt wird.“

 ?? RP-FOTO: JÜRGEN LAASER ?? Blick in die „gute Stube“voller Erinnerung­sstücke, Fotos und alter Urkunden im kleinen Holzweiler Heimatmuse­um, das von der Dorfgemein­schaft betreut wird.
RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Blick in die „gute Stube“voller Erinnerung­sstücke, Fotos und alter Urkunden im kleinen Holzweiler Heimatmuse­um, das von der Dorfgemein­schaft betreut wird.
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