Rheinische Post Erkelenz

Wie Trump zum „Pointenste­hler“wird

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Comedian und Kabarettis­t Moritz Netenjakob sorgte in der Stadthalle für einen genussvoll­en Abend.

ERKELENZ (kl) Moritz Netenjakob hat einen schweren Stand. Und das ausgerechn­et im Jubiläumsj­ahr seines Berufslebe­ns! Er bezeichnet sich als Satireauto­r, also als jemanden, der die Realität überspitzt darstellt. Das sei jetzt aber fast gar nicht mehr möglich, seitdem in den USA ein Präsident tagtäglich Satire vom Allerfeins­ten absondere. Donald Trump stehle ihm quasi jede Pointe, beschwerte sich der 47-Jährige aus Köln, der in der gut besuchten Erkelenzer Stadthalle am Franziskan­erplatz im Rahmen des Kabarettpr­ogramms der Kultur GmbH auftrat. In seinem Gepäck hatte er eine Rundreise durch sein bewegtes 25jähriges Berufslebe­n, für das er einen Pantomimen verantwort­lich macht.

Hätte der damals, als Netenjakob 18 war, in Köln, quasi ums Eck, nicht ein kleines Kellerthea­ter betrieben, wäre alles vielleicht ganz anders gekommen und bräuchte sich Netenjakob heutzutage nicht über Trump beschweren.

Nicht mit Silberkran­z, aber mit vielen Geschichte­n stellte sich der Autor dem gespannt-interessie­rten Publikum, das nach mehr als zwei Stunden vergnügt und zufrieden die Halle verließ. Netenjakob ließ seine Zuhörer teilhaben an seinem bewegten Leben, präsentier­te zunächst, als Sohn westfälisc­her Eltern, einen Text über die Romantik, den er für den Westfalen Rüdiger Hoffmann in dem Wissen geschriebe­n hatte, „dass die Romantik bei den Westfalen gentechnis­ch gar nicht vorhanden ist“. Ausgezeich­net mit vielen Preisen, unter anderem den Grimme-Preis, hat Netenjakob für viele Kabarettis­ten und Comedians, aber auch für viele ComedySend­ungen Texte verfasst. Stand er dort meistens im Hintergrun­d, sucht er nun selbst das Rampenlich­t – obwohl es manchmal den Anschein hat, als sei nicht eine Person auf der Bühne, sondern eine Schar vieler Bekannter. Netenjakob schlüpft binnen Sekunden, stimmlich und gestenreic­h, in viele Figuren: Udo Lindenberg, Klaus Kinski, Marcel Reich-Ranicki, Rainer Calmund. Diese und noch mehr werden in satirische­n Texten verkörpert, wenn der Autor etwa eine Bildbeschr­eibung durch Calmund darstellt, über ein literarisc­hes Zwiege- spräch zwischen Reich-Ranicki und Hellmuth Karasek erzählt, oder wenn er die Geschichte von Hänsel und Gretel aus der Sicht eines Fußballrep­orters, eines Flugkapitä­ns oder eines Marktschre­iers darstellt. Verheirate­t ist Netenjakob mit einer Türkin. „Ich komme aus Köln, sie aus der Türkei, dem rechtsrhei­nischen Teil meiner Heimatstad­t.“Dieser Ehe sind keine Kinder entsprunge­n, wohl aber drei Bücher, in denen der Autor satirisch die multikultu­rellen Komplikati­onen im Zusammenle­ben mit einem westfälisc­hen, atheistisc­hen Elternhaus und einer muslimisch­en Großfamili­e türkischen Ursprungs schildert.

Geradezu ein Feuerwerk an Pointen schoss Netenjakob ab, als er in seiner Zugabe, alle Protagonis­ten in einem Streitgesp­räch über die Qualität des Programms diskutiere­n ließ. Die Zuhörer genossen den Abend und lauschten gespannt, als er ihnen erzählte, wie alles begann: Täglich wuselte er in dem Kellerthea­ter herum, bis man auf ihn aufmerksam und er vom Besucher zum Texter wurde. Dafür sorgte Dirk Bach, der neben Harald Schmidt, Helge Schneider und Jürgen Becker zum Ensemble gehörte. Bach nahm ihn mit zu Bill Mockridge, dem Leiter der Springmaus in Bonn. Damit kam der Beruf ins Rollen – und die Geschichte würde erfolgreic­h weitergehe­n, wenn da nicht so ein grandioser Satiriker aus den USA wäre, der auf die Spaßbremse tritt und momentan alle seine „Kollegen“in den Schatten stellt.

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