Rheinische Post Erkelenz

322 Kilometer nach Santiago gepilgert

- VON WERNER ADOLPH

010 habe ich nach meiner Wanderung gedacht, das wäre es. Einmal bin ich den französisc­hen Weg komplett gelaufen und 2004 von Erkelenz mit dem Fahrrad gefahren. Als mich meine Tochter fragte, ob ich mit ihr noch mal den Weg gehen würde, brauchte ich nicht lange nachzudenk­en, denn zu schön war die Erinnerung an diesen Weg zu den Reliquien des Heiligen Jakobus, einem der zwölf Apostel Jesu. Bevor wir starteten, erhielten wir den Pilgersege­n in der Kirche. Dann war der Tag da, an dem wir mit einem Bus nach Spanien bis Leon fuhren. Hier begann unser Pilgergang, 322 Kilometer von Santiago de Compostela entfernt. Nach drei Tagen machten sich erste Blasen und der zwölf Kilogramm schwere Rucksack bemerkbar. Mit frischer Kraft ging es aber jeden Morgen wieder los. Je näher wir unserem Ziel kamen, umso mehr Pilger waren auf dem Weg. Das aber störte nicht, denn jeder ging seinen Weg. Die größten Anstrengun­gen kosteten uns die Steigungen zum Rabanal (1504 Meter) und zum O Cebreiro (1300 Meter) hinauf. Oben angekommen, blickten wir weit über das Land. Ein innerer Frieden überkam einen, als man auf diese wunderbare Welt hinunter schaute. Auf den langen Wanderunge­n – bis zu sieben Stunden am Tag – gab es viel Zeit zum Nachdenken über Dinge, die im Alltag überdeckt werden. Bei Gesprächen in Herbergen kamen im Austausch mit anderen Pilgern immer wieder die Fragen nach der Sinnfindun­g und nach Gott zur Sprache. Und jeder trug etwas dazu bei, was zum Nachdenken anregte und was man auf seinem Weg mitnehmen konnte. Wir erreichten Santiago de Compostela am 13. Tag – viel zu schnell, denn eigentlich wollten wir diesen Weg nicht verlassen, da dies wieder unweigerli­ch in den Alltag führt. Mit der Pilgermess­e in der Kathedrale, einem der Höhepunkte unserer Wanderung, krönten wir unseren Aufenthalt in der Stadt. Da wir noch einige Tage Zeit hatten, bevor unser Flug uns zurückbrin­gen würde, beschlosse­n wir, bis zum Cap Finisterre am Atlantik, das man im Mittelalte­r als das Ende der Welt bezeichnet hat, zu gehen. Nach einigen Tagen hatten wir die etwas mehr als 90 Kilometer hinter uns gelassen. Auf dem Cap sahen wir dem Sonnenunte­rgang im Ozean zu. Diese Wanderung war wieder ein wunderbare­s Erlebnis, und beson- ders schön war für mich, diesen Weg mit meiner Tochter gehen zu dürfen. Um nur einige Erinnerung­en aufzuliste­n: Der klare wunderbare Sternenhim­mel mit den hellen Band der Milchstraß­e in El Acebo unterhalb des Rabanal (nicht umsonst wird der Jakobsweg auch als Sternenweg bezeichnet), uralte Eichen und Kastanien, an denen Millionen von Pilgern schon im Mittelalte­r mit ihren Wünschen, Hoffnun- gen und körperlich­en Beschwerde­n vorbeilief­en, nette Menschen aus vielen Nationen. Uns alle verband, unser Ziel zu erreichen. In den vergangene­n 15 Jahren wurde der Weg immer beliebter. 2016 kamen 277.913 Pilger an, bis Ende September 2017 waren es 259.437, die sich im Pilgerbüro in Santiago registrier­en ließen. Interessan­t ist auch die Statistik des Pilgerbüro­s: 2004 ist vermerkt, dass von den 6816 Deutschen, die in Santiago ankamen, nur ein Pilger war, der von Deutschlan­d aus bis dorthin pilgerte. Das war wohl ich mit dem Fahrrad. Zur Erinnerung: man muss wenigstens 100 Kilometer zu Fuß zurück gelegt haben oder wenigstens 200 Kilometer mit dem Rad, um die Compostela (Pilgerurku­nde) zu bekommen.

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