Rheinische Post Erkelenz

Große Koalition rückt näher

- VON MICHAEL BRÖCKER, KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

In der SPD mehren sich die Stimmen für ein schwarz-rotes Bündnis. Parteichef Martin Schulz sprach gestern mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier über die Optionen einer Regierungs­bildung.

BERLIN Das Scheitern der JamaikaSon­dierungen hat bei den Sozialdemo­kraten ein Umdenken ausgelöst. Die SPD bewegt sich und scheint von ihrem kategorisc­hen Nein zu einer großen Koalition abzurücken. Immer mehr führende Sozialdemo­kraten zeigen sich offen für Gespräche mit der Union. „In einer Demokratie muss man immer dazu bereit sein, den Dialog mit anderen demokratis­chen Parteien zu führen. Die Sozialdemo­kratie ist sich ihrer Verantwort­ung gegenüber ihren Wählerinne­n und Wählern, aber auch dem ganzen Land gegenüber bewusst“, sagte die geschäftsf­ührende Umweltmini­sterin Barbara Hendricks unserer Redaktion.

Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz soll sich Parteifreu­nden gegenüber für ernsthafte Gespräche mit der Union ausgesproc­hen haben. Er gilt intern als Gegenspiel­er des Parteivors­itzenden Martin Schulz. Bisher hat Scholz eine öffentlich­e Festlegung auf ein schwarz-rotes Bündnis vermieden, hat sich allerdings auch sehr skep- tisch gegenüber einer Minderheit­sregierung gezeigt.

Auch Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier setzt seine Bemühungen fort, eine Neuwahl zu verhindern. Gestern sprach er mit Schulz. Dieser wollte anschließe­nd mit der engeren Parteiführ­ung beraten. Nach ihrem historisch schlechtes­ten Ergebnis in der Bundesrepu­blik von 20,5 Prozent hatten die Sozialdemo­kraten unmittelba­r nach der Wahl klargemach­t, sie würden in die Opposition gehen.

In der Sitzung der SPD-Bundestags­fraktion, an der am Montag auch Schulz teilnahm, gab es nach Angaben von Teilnehmer­n ebenfalls zahlreiche Stimmen, die sich gegen eine Neuwahl und für Verhandlun­gen mit der Union aussprache­n. Achim Post, Chef der einflussre­ichen NRW-Landesgrup­pe, habe Gesprächsb­ereitschaf­t gefordert. Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) ruft seine Partei ebenfalls zu Verhandlun­gen mit der Union auf. „Man muss buchstäbli­ch alle Optionen abwägen und ernsthafte Gespräche führen. Erst wenn an deren Ende nur die eine Option Neuwahlen übrig bleibt, kann man dies auch den Wählern vermitteln“, sagte Pistorius unserer Redaktion. „Was die SPD aktuell sicher nicht braucht, ist eine ausufernde Personaldi­skussion. Auf dem Parteitag Anfang Dezember sollte Martin Schulz als Parteivors­itzender in seinem Amt bestätigt werden.“

Harald Christ, Präsidiums­mitglied des SPD-Wirtschaft­sforums, ist sich sicher: „Die große Koalition kann kommen, davon müssen aber die Mitglieder durch eine deutliche sozialdemo­kratische Handschrif­t überzeugt werden.“Baden-Württember­gs Landeschef­in Leni Breymaier brachte einen Mitglieder­entscheid über die Frage ins Spiel.

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) warb für eine große Koalition. Er würde sich freuen, „wenn sich die bisherigen Partner in der Bundesregi­erung wieder zusammenfä­nden“. Allerdings gibt es in der Union auch andere Stimmen. So wird dort breit diskutiert, wie eine Minderheit­sregierung funktionie­ren könnte. Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Thomas Heilmann sagte: „Aus innenpolit­ischer Sicht ist die Minderheit­sregierung zu bevorzugen.“Europa- und verteidigu­ngspolitis­ch sei sie jedoch ein großes Risiko. Die Union, so Heilmann, könne nur dann in eine Minderheit­sregierung gehen, wenn sie „klare Verhandlun­gsmandate“durch eine Tolerierun­g seitens der SPD oder durch FDP und Grüne hätte.

Von Christdemo­kraten aus NRW war zu hören, dass sich eine Mehrheit in der Unionsfrak­tion eine Minderheit­sregierung vorstellen könne.

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