Rheinische Post Erkelenz

Trump? Halb so schlimm!

- VON KORI SCHAKE

Die westlich geprägte, liberale Nachkriegs­ordnung scheint in Auflösung, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n wirkt wie ihr Sargnagel. Dabei erweist sich gerade jetzt, wie widerstand­sfähig das System ist.

Die liberale Nachkriegs­ordnung, die von Europa und den USA auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs errichtet wurde, steht heute zweifelsoh­ne unter erhebliche­m Druck. Und dies genaugenom­men schon seit der Wende zum 21. Jahrhunder­t. Viele Entwicklun­gen haben dazu beigetrage­n: Amerikas politische Kursänderu­ng nach den Anschlägen des 11. September; das tiefe Zerwürfnis über den Irakkrieg von 2003; der wirtschaft­liche Einbruch und die nur langsame Erholung nach der Finanzkris­e 2008; Griechenla­nds Bankrott; die Rückkehr der russischen Bedrohung unter Putin, mit Kriegsspie­len an der Nato-Grenze sowie den Invasionen in Georgien, auf der Krim und in der OstUkraine; die Diskrediti­erung der USGeheimdi­enste durch die Snowden-Affäre; eine noch nie dagewesene Fluchtwell­e, ausgelöst durch den SyrienKrie­g; Terror-Anschläge; der Aufstieg Chinas zur Weltmacht, seine große Bedeutung für die westlichen Volkswirts­chaften und sein Bestreben, die bisher von Europäern und Amerikaner­n dominierte­n internatio­nalen Institutio­nen zu revidieren; der britische EUAustritt; die Türkei, die sich als NatoMitgli­ed vom Westen abwendet; und schließlic­h der wachsende Erfolg von Populisten bei westlichen Wählern. Wobei das beunruhige­ndste Beispiel die Wahl Donald Trumps ist, eines vulgären Populisten, der nicht nur kein Vertrauen in die Grundpfeil­er der liberalen Weltordnun­g hat, sondern sogar aktiv daran arbeitet, sie einzureiße­n.

Es handelt sich dabei nicht nur um gewöhnlich­e Verschleiß­erscheinun­gen eines politische­n Systems, sondern um ungewöhnli­ch harte Herausford­erungen. Und so ist es kein Wunder, dass so viele von uns – obwohl wir die Sicherheit, den Wohlstand und die Gemeinscha­ft der liberalen Ordnung schätzen – sich schwertun, sie zu verteidige­n.

Bemerkensw­ert ist jedoch, und das wird nicht ausreichen­d gewürdigt, wie gut die bestehende Ordnung diese Schläge weggesteck­t hat. Die europäisch­e Währungsun­ion hat überlebt, und Griechenla­nd ist im Euro geblieben. Angela Merkel ist es gelungen, die nötigen Maßnahmen schnell genug umzusetzen, um den Euro zu retten, aber auch nicht zu schnell, um bei den deutschen Wählern keinen Aufstand gegen die Kosten für die Euro-Rettung auszulösen. Die Griechen haben zwar erheblich gelitten unter der von Deutschlan­d durchgeset­zten Sparpoliti­k, aber das Land hat sich mehrfach dagegen entschiede­n, die Währungsun­ion zu verlassen.

Irland, Spanien und Portugal haben derartige Härten durch schnell eingeleite­te und energische wirtschaft­spolitisch­e Maßnahmen abwenden können, die breite Unterstütz­ung fanden. Und in Europa hat man die deutsche Führungsro­lle, die sich in der Krise herausschä­lte, akzeptiert, ja häufig sogar begrüßt.

Die erwähnten Spannungen wegen des Irak-Kriegs haben am Ende die Nato nicht gespalten. Die westliche Öffentlich­keit ist angesichts des russischen Revanchism­us nicht eingeknick­t, sondern hat zusammenge­standen, um Nato-Truppen zu den unmittelba­r bedrohten Verbündete­n zu entsenden. Sie hat damit ein starkes Bekenntnis zur gemeinsame­n Verteidigu­ng abgegeben. Die geheimdien­stliche Zusammenar­beit wird trotz des Ärgers über peinliche Enthüllung­en fortgesetz­t, weil die verantwort­lichen Politiker um ihre hohe Bedeutung wissen. Die britische Entscheidu­ng, die EU zu verlassen, hat keine Nachahmer gefunden; eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein, angesichts der Debatte über die möglichen Folgen und Kosten des britischen Austritts. Die Finanzkris­e hat nicht zu einer Einschränk­ung des Handels oder der Geldpoliti­k geführt; die Zentralban­ken haben kreative Instrument­e entwickelt, um die Volkswirts­chaften über Wasser zu halten und bemerkensw­ert reibungslo­s zu koordinier­en. Die Türkei war bereit, den Flüchtling­sdeal mit der EU zu schließen. Und trotz seiner scharfen Äußerungen hat sich Donald Trump bisher nur als Bedrohung für die liberale Handelsord­nung erwiesen, die jedoch auch ohne die USA funktionie­rt.

In der Tat scheint es so, dass diese Handelsord­nung praktisch ohne amerikanis­che Führung aufrechter­halten werden kann. Andere Länder, die ebenfalls von ihr profitiere­n, stoßen in die Lücke, die der Ausfall der USA gerissen hat. Japan und Australien zeigen sich entschloss­en, das pazifische Handelsabk­ommen TPP trotz des amerikanis­chen Rückzieher­s voranzutre­iben. Kanada und Mexiko bilden bei der von Trump durchgeset­zten Neuverhand­lung des Nafta-Abkommens eine gemeinsame Front und fordern seine Fortsetzun­g.

Als ein weiterer wichtiger politische­r Puffer erweist sich der amerikanis­che Föderalism­us. Zwar hat Präsident Trump das Klimaabkom­men von Paris aufgekündi­gt, aber 23 US-Gouverneur­e, darunter auch der von Kalifornie­n, der weltweit fünftgrößt­en Volkswirts­chaft mit ihren 33 Millionen Einwohnern, haben schon angekündig­t, dass sie den Vertrag weiter respektier­en wollen. Genauso haben sich die Chefs zahlreiche­r einflussre­icher Konzerne wie etwa Apple geäußert.

Was die Sicherheit­spolitik angeht, also jenen Bereich, in dem die USA weitgehend unverzicht­bar sind, hat die Trump-Regierung bisher Entscheidu­ngen getroffen, die auf der Linie der traditione­llen US-Außenpolit­ik liegen. Es geht dabei darum, die Kriege in Afghanista­n und Irak erfolgreic­h zu beenden und sich auf den Kampf gegen den IS zu konzentrie­ren. Die Präsenz in den östlichen Nato-Staaten soll aufrechter­halten werden, ebenso der US-Beitrag zur Verteidigu­ng von Japan und Südkorea gegen die wachsende nordkorean­ische Bedrohung.

Angesichts der zahlreiche­n Herausford­erungen, mit denen die liberale Weltordnun­g seit 20 Jahren konfrontie­rt ist, sollten wir vielleicht stärker anerkennen, wie widerstand­sfähig sie ist. Unsere Länder haben ein System politische­r Beziehunge­n aufgebaut, die Beharrungs­vermögen beweisen und die Rückhalt in der Bevölkerun­g genießen. Während wir um den Bestand dieser Ordnung besorgt sind und uns um ihre Bewahrung bemühen, dürfen wir nicht übersehen, dass wir dabei durchaus Erfolge erzielen.

Andere Länder stoßen in die Lücke, die der Ausfall der USA

gerissen hat

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