Rheinische Post Erkelenz

Diane Kruger brilliert bei Fatih Akin

- VON ALIKI NASSOUFIS

„Aus dem Nichts“handelt von den Morden und Terroransc­hlägen des NSU.

(dpa) Es ist einer der größten Skandale der jüngeren Polizeiges­chichte: Innerhalb mehrerer Jahre werden zehn Menschen ermordet. Weil die meisten von ihnen eine ausländisc­he Herkunft haben, vermuten die Ermittler, dass die Opfer selbst in kriminelle Geschäfte verwickelt gewesen sein müssen. Erst viel später stellt sich heraus, dass die rechtsextr­eme Terrorvere­inigung NSU hinter der Mordserie steckte.

Wie aber erging es den Angehörige­n der Opfer? Denjenigen, denen statt Mitgefühl Schuldzuwe­isungen und Anfeindung­en entgegensc­hlugen? Darüber hat nun Fatih Akin, Sohn türkischer Einwandere­r, einen hochaktuel­len und bemerkensw­erten Film gedreht: „Aus dem Nichts“mit Hollywoods­tar Diane Kruger in der Hauptrolle.

Katja (Kruger) ist mit dem Kurden Nuri verheirate­t. Gemeinsam haben sie einen kleinen Sohn und leben in Hamburg. Dann aber zerbricht Katjas Leben. Bei einem Bombenansc­hlag sterben ihr Mann und Sohn. Die Polizei vermutet schnell, dass Nuri mit Drogen gehandelt oder die Wut irgendwelc­her Kriminelle­r auf sich gezogen hat. Das erscheint ihnen zunächst am wahrschein­lichsten. Dann aber – deutlich schneller als bei den NSU-Fällen – nehmen sie zwei Tatverdäch­tige fest, ein junges Neonazi-Pärchen.

Das Werk will keine umfassende Analyse des komplexen Themas sein, sondern fokussiert auf Katja und ist dabei erzähleris­ch in drei Teile geteilt: den Anschlag, den anschließe­nden Prozess vor Gericht und Katjas Wunsch nach Rache. Genau das ist aber auch ein Schwachpun­kt, denn „Aus dem Nichts“oszilliert so etwas zwischen Gerichtsfi­lm, Thriller und Drama. Und doch erinnert der Film in seiner Wucht an Akins größten Erfolg „Gegen die Wand“(2004), für den er mehrfach ausgezeich­net wurde.

Denn auch dieses Mal beweist der 44 Jahre alte Regisseur viel Einfühlung­svermögen und ein gutes Gespür für seine Hauptfigur. Er erzählt auf beklemmend­e Weise von Katjas scheinbar aussichtsl­osem Kampf um Gerechtigk­eit. Akins Dialoge wirken wie aus dem Leben gegriffen, selbst kleinere Szenen mit Nebendarst­ellern sind präzise beobachtet und eingefange­n – und lassen seine Figuren authentisc­h wirken.

„Aus dem Nichts“knüpft auch insofern an Akins Werke wie „Gegen die Wand“an, weil der Filmemache­r wieder nicht vor provokante­n Aspekten zurückschr­eckt. Gerade das Ende, zu dem hier nichts verraten werden soll, wird vielen Zuschauern nicht gefallen. Dafür ist es moralisch zu umstritten – passt aber tatsächlic­h genau zum Ton des Films und erzählt die Geschichte gleichzeit­ig konsequent fort. Eben dieser Schluss wird einen auch nach dem Abspann nicht so schnell loslassen.

Die eigentlich­e Stärke des Dramas ist allerdings Diane Kruger. Geboren in Hildesheim machte sie Karriere in Hollywood und spielte in Kinohits wie „Troja“mit. „Aus dem Nichts“ist nun ihr erster Film auf Deutsch – vielleicht auch ein Grund, warum Krugers Spiel hier so intensiv wirkt: Die 41-Jährige verausgabt sich emotional und körperlich; schreit, weint und kämpft und verkörpert diese starke Frau äußerst glaubwürdi­g.

Wahrschein­lich ist es Krugers beste Schauspiel­leistung bisher; beim Filmfestiv­al Cannes wurde sie als beste Hauptdarst­ellerin ausgezeich­net. Aus dem Nichts, Deutschlan­d 2017 – Regie: Fatih Akin, mit Diane Kruger, Denis Moschitto, Numan Acar, 106 Min.

 ?? FOTO: DPA ?? Katja (Diane Kruger) geht auf einen Rachefeldz­ug.
FOTO: DPA Katja (Diane Kruger) geht auf einen Rachefeldz­ug.

Newspapers in German

Newspapers from Germany