Rheinische Post Erkelenz

Immer mehr Berufstäti­ge gehen studieren

- VON ANKE DANKERS

Auch ohne Abitur gibt es Wege an die Uni, und Leistungen aus dem Beruf lassen sich anrechnen.

GÜTERSLOH (dpa) 51.000 Studierend­e ohne Abitur waren 2015 an deutschen Hochschule­n eingeschri­eben. Die Zahl scheint gering, umfasst sie doch nur zwei Prozent aller in Deutschlan­d eingeschri­ebenen Studenten. „Aber es ist fast eine Verdoppelu­ng im Vergleich zum Jahr 2010, da waren es knapp 26 000 Studierend­e ohne Abitur“, erklärt Sigrun Nickel, Leiterin der Hochschulf­orschung am Centrum für Hochschule­ntwicklung (CHE).

Längst ist das deutsche Bildungssy­stem keine Einbahnstr­aße mehr. Von der Ausbildung ins Studium oder umgekehrt – verschiede­ne Wege machen einen Wechsel möglich. „Es gibt zum Beispiel die Möglichkei­t, die Fachhochsc­hulreife in Verbindung mit einer vollzeitsc­hulischen Ausbildung an der Berufsfach­schule zu erwerben“, erklärt Kim-Maureen Wiesner, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Bundesinst­itut für Berufsbild­ung (BIBB).

Nach der Ausbildung noch studieren – ohne Abi? Das geht: Beruflich Qualifizie­rte, die neben ihrer Ausbildung mindestens zwei Jahre Berufserfa­hrung vorweisen können, haben gute Chancen auf eine Hochschulz­ulassung. Mit einer Ein- schränkung: Das gewählte Studienfac­h muss fachlich zum erlernten Beruf passen. Ein Fach eigener Wahl können dagegen Absolvente­n einer Aufstiegsf­ortbildung studieren – Meister oder Techniker also.

Meister und Co. müssen deshalb auch keine weiteren Voraussetz­ungen erfüllen, um sich an Uni oder FH einzuschre­iben. Nur mit Ausbildung und Berufserfa­hrung wird es dagegen komplizier­ter. Denn die Zulassungs­bedingunge­n für Studierend­e ohne Abitur variieren je nach Bundesland und Hochschule. Interessen­ten sollten daher zunächst alle Informatio­nen sammeln, das geht etwa über Online-Portale wie www.studiereno­hneabitur.de und direkt bei der jeweiligen Hochschule.

So schweißtre­ibend manche Prüfungsvo­rbereitung während der Berufsausb­ildung auch gewesen sein mag – gelernte Inhalte lassen sich in der Regel nicht auf ein Studium anrechnen. „Die Ausbildung­sleistunge­n sind meist gar nicht anrechenba­r, sondern eher die Fortbildun­gsleistung­en und die Berufserfa­hrung, weil sie in Inhalt und Niveau äquivalent zum Studiengan­g sein müssen“, erklärt Kim-Maureen Wiesner.

Außerdem gibt es das Problem der Doppelanre­chnung: Macht beispielsw­eise eine Aufstiegsf­ortbildung zum Meister den Zugang zur Hochschule erst möglich, lässt sie sich nicht ein zweites Mal anrechnen, um etwa das Studium zu verkürzen. Umgekehrt ist es genauso: Studienlei­stungen oder -abschlüsse sind bei der Aufnahme einer dualen Berufsausb­ildung nicht anrechenba­r. „Anders verhält es sich bei der Zulassung zu den Prüfungen der Höheren Berufsbild­ung, die zum Meister-, Techniker- oder Fachwirtab­schluss führen“, sagt Julia Flasdick, Hochschule­xpertin des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags (DIHK). Wer bereits eine duale Berufsausb­ildung abgeschlos­sen und in einem fachnahen Studiengan­g mindestens 90 CreditPoin­ts erreicht hat, kann diese bei der Prüfungszu­lassung wie ein Jahr Berufsprax­is werten lassen.

Eine Seltenheit ist der Wechsel von der Uni an die Berufsschu­le nicht: 43 Prozent der Studienabb­recher suchen ihre berufliche Zukunft in einer dualen Ausbildung. Das zeigen Zahlen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenscha­ftsforschu­ng. „Und jeder Sechste aus dieser Gruppe plant im Anschluss daran eine längere berufliche Weiterbild­ung“, sagt Flasdick.

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FOTO: DPA Unter den Studierend­en an deutschen Hochschule­n sind immer mehr Menschen ohne Abitur, die aus dem Job ins Studium wechseln.

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