Rheinische Post Erkelenz

Gern genommene Luxusprobl­eme

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Julian Nagelsmann, der Trainer von 1899 Hoffenheim, ist einer. Und auch Domenico Tedesco, der Trainer des FC Schalke 04, outete sich als Fan der Gladbacher Offensivab­teilung. Lars Stindl, Raffael und Thorgan Hazard, dieses Mal ergänzt vom ebenfalls höchst spielfreud­igen Vincenzo Grifo – das nötigt den Gegnern schon Respekt ab. „Die Qualität der einzelnen Gladbacher Spieler ist sehr, sehr hoch. Kompliment besonders an die Offensive, wie sie im und am Strafraum mit einem Kontakt spielt. Gefühlt hast du das Gegentor da schon immer geschluckt oder eine Elfmetersi­tuation gegen dich“, sagte Tedesco nach dem 1:1 im Borussia-Park am Samstag. Aber mit den Toren ist es so eine Sache: Tedesco blieb, was ihn wohl nicht wirklich störte, die LiveAnsich­t der Fähigkeite­n des Quartetts verwehrt, denn keiner der geschätzte­n Herren traf.

Nun, für Stindl gilt das nicht ganz, schließlic­h trat er den Ball ins Schalker Netz, doch zählte das nicht, weil er lange Zeit vorher im Abseits gestanden hatte. Weswegen auch Grifos Lattentref­fer, der dann Stindl vor die Füße fiel, nicht gegolten hätte. Auch die Elfmeterkü­nste von Hazard (vier Versuche, vier Treffer) durfte bzw. musste Tedesco nicht erleben, weil der Strafstoß zurückgeno­mmen wurde.

Hazard war auch der letzte Offensive, der getroffen hat mit dem Elfmeter in der 39. Minute gegen die Bayern. Das war sein zehnter Scorerpunk­t in Serie und der letzte seit 231 Minuten. Auch Hazard wurde in Wolfsburg ein Treffer aberkannt, weil er im Abseits stand. Drei annulliert­e Tore und ein Elfmeter, der zurückgezo­gen wurde – mit den Toren, auch mit denen, die nicht fallen, ist es halt so eine Sache. Getroffen haben seit dem letzten Offensiv-Tor nur zwei Sechser: Matthias Ginter gegen die Bayern und nun Christoph Kramer gegen Schalke. Da er nebenbei Bochum-Fan ist, dürfte ihn dieses Tor gegen den RuhrpottRi­valen seiner zweiten Liebe besonders freuen.

Es war bereits das zehnte Tor aus der Abteilung Torverhind­erung in dieser Saison. Sechsmal trafen Mitglieder der Viererkett­e, vier Treffer steuerten Sechser bei. Hinzu kommen fünf Assists, das macht insge- samt 15 Torbeteili­gungen aus der Defensive. Vorarbeite­r ist Ginter. Drei Tore plus eine Vorlage hat er beisammen. Diese Statistik gefällt indes weniger den Trainern der Gegner Borussias als vielmehr Dieter Hecking. Denn ein Team, das nur von den Toren seiner Stürmer abhängig ist, ist viel leichter ausrechenb­ar, als eines, in dem fast jeder Spieler treffen kann.

Aber zurück zu den Fachkräfte­n: Es wäre schon hilfreich, wenn sie ihre Produktion in den letzten drei Pflichtspi­elen des Jahres wieder aufnehmen würden. Wie beim 4:2 in Berlin, als Stindl, Hazard und Raffael (2) trafen. Das war ein reiner Stürmersie­g. Wie es geht, wissen sie also. Und auch Christian Streich, der Freiburger Trainer, weiß, dass sie es können. Er wird die Seinen in der Vorbereitu­ng des Spiels gegen Gladbach morgen insbesonde­re auf das Können der Borussen-Offensive hinweisen.

Ganz genau kennt Streich natürlich Grifo, seinen Ex-Schüler. Der ist im Sommer aus dem Breisgau an den Niederrhei­n gewechselt, aber noch ohne Tor für Gladbach. Beim 3:1 in Hoffenheim, das ebenfalls sein Ex-Verein ist, zog er groß auf mit zwei Vorlagen und einem Lattenund einem Pfostentre­ffer. Gäbe es nun einen besseren Ort für das Debüt-Tor als die alte Heimat? Es wäre eine moralische Jubel-Frage für Grifo. Doch das wäre – wie viele Verteidige­r mit Torinstink­t – ein gern genommenes Luxusprobl­em.

Karsten Kellermann

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