Rheinische Post Erkelenz

Das Zentrum schlägt zurück

- VON KARSTEN KELLERMANN

Nach dem 1:1 des HSV drehen Borussias Routiniers auf, vor allem Raffael. Doch auch die Jungspunde dahinter überzeugen.

Bevor es losging mit dem Spiel zwischen Borussia und dem HSV, gab es eine Verabschie­dung. André Hahn, im Sommer von Borussia zu den Hanseaten gewechselt, bekam ein Dankeschön von den Gladbacher­n für 68 Pflichtspi­ele und 14 Tore während seiner Zeit am Niederrhei­n. Fast eine Stunde später bekam er ein weiteres Gastgesche­nk. Nach einem Ballverlus­t der Borussen schaltete der HSV schnell um, und Hahn tauchte allein vor Borussias Torwart Yann Sommer auf. Er schob den Ball ins Tor zum 1:1. Arge Jubelstürm­e gab es nicht, das ist so üblich, wenn Ex-Spieler tun, was sie oft tun, nämlich gegen den früheren Verein zu treffen.

Nach dem Zwischenst­and hatte es nach zehn Minuten nicht ausgesehen. Da war Borussia derart überlegen, als wolle sie den Gegner zerquetsch­en. Wer wissen will, wie das ging, der sollte sich eine Zusammensc­hnitt der Taten des Kapitäns Lars Stindl in jenen Minuten anschauen. Der hatte nach dem 0:1 beim SC Freiburg offen über eine möglicherw­eise mangelnde Einstellun­g gesprochen und Besserung gelobt. Nun zeigte er vom Anpfiff weg, was er damit meinte. Und am Ende brachte der Wille, sich zu rehabiliti­eren, auch noch den 3:1-Sieg.

Dass er gestern Abend in Abwesenhei­t zur Nummer zwei der Fußballer in NRW gekürt wurde (nur der Schalker Leon Goretzka bekam mehr Stimmen), könnte eine Antriebsfe­der für Stindl gewesen sein. Eine zweite war sicher Raffael, sein kongeniale­r Sturmpartn­er und gestern Schütze des 2:1 und 3:1. Der hatte in Freiburg gefehlt, was Stindls Spieltrieb gehemmt hatte. Wie um zu demonstrie­ren, wie schön es sein kann, wenn sie aufziehen, kombiniert­en sie in der neunten Minute derart schnell, dass die Hamburger wie Slalomstan­gen wirkten – Raffael bediente letztlich Thorgan Hazard, der sein sechstes Saisontor erzielte, zum zweiten Mal traf er aus dem Spiel heraus. Es war ein Treffer wie vom Reißbrett – zack, zack, zack.

Stindl sammelte in der Szene einen Assist-Assist ein, zehn Minuten später war er erfolgreic­h in der Defensive unterwegs, als er auf der eigenen Linie klärte. Stindl war also höchst engagiert, und sein Elan stachelte die anderen an. Beide Sechser, beide 18 Jahre jung, machten einen guten Job – und beide hätten fast getroffen: Erst traf Reece Oxford, den Trainer Dieter Hecking überrasche­nd vor die Abwehr beordert hatte, die Querlatte, dann Michael Cuisance den Pfosten.

Stindls Einsatz war beachtlich, aber auch die Art und Weise, wie die junge Doppelsech­s agierte. Dass Cuisance einen starken AufbauPass hat, hat er schon gezeigt, doch gegen den HSV war er auch in die andere Richtung sehr disziplini­ert. Oxford, der heute 19 wird, scheint sich auf der Position, auf der er bei West Ham United auch mal Mesut Özil ausgeschal­tet hatte, weit wohler zu fühlen als hinten rechts, wo er in Freiburg spielte.

Weil die Borussen nach der schnellen Führung aber nicht im Tempo blieben und ihre Konsequenz nicht beibehielt­en, konnte sich der HSV berappeln. Und dann war es ausgerechn­et Oxford, der an der Mittellini­e den Ballverlus­t hatte, der dem HSV den Weg zum 1:1 eröffnete. Es blieb der einzige Patzer der jungen Doppelsech­s. Und Borussias Zentrum schlug zurück, oder genauer: Raffael. Erst erzielte er in der 74. nach Vorarbeit des eingewechs­elten Vincenzo Grifo das 2:1, fünf Minuten später besorgte er das 3:1, dieses Mal legte Hazard auf. Der zentrale Block war entscheide­nd in diesem Spiel: Die Routiniers Stindl und Raffael vorn, dahinter die Jungspunde Cuisance und Oxford. Heckings Mischung passte.

Den Fans jedoch passte das Spiel in einigen Abschnitte­n nicht. Sie pfiffen in der Phase nach dem 1:1, als sich die Borussen schwertate­n. Das wiederum regte Manager Max Eberl extrem auf. Fast zehn Minuten lang machte er seinem Ärger Luft. „Ich finde es eine bodenlose Frechheit, wenn wir einen Rückpass spielen und es Pfiffe gibt. Hier wird ehrlich Fußball gespielt, es wird mit jungen Spielen gearbeitet, mit zwei 18-Jährigen im Mittelfeld, und es wird gepfiffen, als wenn wir zurücklieg­en bei einem Spielstand von 1:1 – dafür habe ich kein Verständni­s“, sagte Eberl. „Ich finde es schade, dass gepfiffen wurde, gerade in der Phase, als es wichtig gewesen wäre, uns die Unterstütz­ung zu geben“, sagte Trainer Hecking.

 ?? FOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Glücksgefü­hle: Thorgan Hazard (2. von rechts) hat gerade Christian Mathenia (ganz rechts) zum 1:0 für Borussia überwunden, Kapitän Lars Stindl ist der erste Gratulant, Oscar Wendt (links) jubelt auch schon mit.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Glücksgefü­hle: Thorgan Hazard (2. von rechts) hat gerade Christian Mathenia (ganz rechts) zum 1:0 für Borussia überwunden, Kapitän Lars Stindl ist der erste Gratulant, Oscar Wendt (links) jubelt auch schon mit.

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