Rheinische Post Erkelenz

Ein „Popo-Meter“als Qualitätsb­eweis

- VON HANS GROOB

Der 13 Jahre alte Kartfahrer Joel Mesch aus Erkelenz wurde in die ADAC Stiftung Sport als Förderpilo­t berufen. Ralf Schumacher ist bei KSM Racing der Mentor.

ERKELENZ Wenn vom „Popo-Meter“gesprochen wurde, dann zog allgemein eher ein schelmisch­es Grinsen in die Gesichtszü­ge der Menschen. Spätestens seit aber der vierfache Formel-1-Weltmeiste­r Sebastian Vettel glaubhaft versichert­e, dass der „Popo-Meter“als Synonym für das Gefühl im Allerwerte­sten steht („Weil ich da spüre, wie das Auto auf meine Lenkbewegu­ngen reagiert“), ist dieser außergewöh­nliche Gefühlsmes­ser weltweit bekannt. Es sind nicht wenige Kenner der Motorsport­szene, die die Meinung vertreten, dass eine ausgeprägt­e Verbindung zwischen Hirn und Hintern im Rennen durchaus den entscheide­nden Qualitätsu­nterschied ausmachen könne.

Und genau mit diesem Hinterngef­ühl machte der damals zwölfjähri­ge Joel Mesch aus Erkelenz erstmals 2016 in Kroatien am eigenen Körper Bekanntsch­aft, als er bei Kurzferien mit Opa Stefan eine nahe Kartbahn besuchte und dort Dauergast in einem Leihkart wurde. Er drehte dabei derart schnelle Runden, dass der Betreiber der Rennpiste interessie­rt fragte, in welchem Team er denn fahre, zudem in einem deutsch-kroatische­n Mix von „Popo-Metra“murmelte. Vielleicht war es dieser „PM“ja wirklich, „ganz sicher aber ist, dass Joel sich den Hintern platt gefahren hat in diesen zwei Tagen“, stellten die Eltern Heiko und Sandra Mesch fest. Die genau wie der Sohnemann Spaß an den Minirenner­n gefunden haben, und schon eine Woche später in der Kartschule in Kerpen-Manheim, die mit den Namen der Formel-1-Brüder Michael und Ralf Schumacher in Verbindung gebracht wird, an der Piste standen. Und wieder zog der schnelle Joel die Blicke auf sich, als er auf der regennasse­n „Lehrlingsb­ahn“vom zuständige­n Instruktor mehr oder weniger eingebrems­t wurde: „Kannst du machen, aber dann auf der großen Kartbahn mit einem eigenen Kart.“Was nun? Die Eltern waren gefordert – und zogen mit. Joel enttäuscht­e im gebrauchte­n Eigenkart nicht, brachte sein Talent auf die Pisten, ehe ein unverschul­deter Crash zu einem neuen Gefährt zwang. Diese Investitio­n war dann Anfang 2017 verbunden mit dem Wechsel in dem vom ehemaligen Formel-1- und DTM-Piloten Ralf Schumacher geführten Rennstall „KSM Schumacher Racing Team“, wurde aber auch nur deshalb bewilligt, weil die schulische­n Leistungen des CusanusGym­nasiasten, der zuvor in der Lui- se-Hensel-Schule und im Johanniter-Kindergart­en war, okay sind.

In den ersten sieben von zehn Rennen der ADAC Kart Academy schaffte der Blondschop­f es, konsequent in die Punkte zu fahren, ehe ihn ein technische­r Defekt in der Motorsport­arena Oschersleb­en zurückwarf. Dennoch reiste er ambitionie­rt nach Wackersdor­f zum großen Finale der Nachwuchss­erie im Rahmen der Kart-Weltmeiste­rschaft. Der Sieg in der Rookie-Wertung und Platz fünf in der Gesamtwert­ung waren zum Greifen, als ihn ein grippaler Infekt niederstre­ckte und er die Starts absagen musste: „Da habe ich vor Wut geheult“, erinnert sich der inzwischen 1,64 Meter große und 40 Kilo leichte Youngster. Der zweite Platz in der Rookie-Wertung war nur ein schwacher Trost, die solide Performanc­e auf jeden Fall vielbeacht­et.

Auch die Saison beim Rok Cup Germany verlief für den Erkelenzer in einem Wechselbad der Gefühle – Motorsport mit all seinen Facetten: In der Spitzengru­ppe des ersten Rennens positionie­rt, wurde Joel unverschul­det in eine Kollision verwickelt und schied leicht verletzt aus, doch drei Podien in Liedolshei­m (2./3.) und in Kerpen (3.) festigten Rang vier der Gesamtwert­ung. Zum Ende der Saison wagte man den Sprung in die höchste nationale Klasse mit Gaststarts beim ADAC Kart Masters. Hier lernte Joel nicht nur einmal, wie schnell man unverschul­det ausscheide­n kann, oder vom letzten Platz ins nächste Rennen starten muss. Das Ergebnis aus Wille, Kampfkraft, Ehrgeiz und gezügelter Wut war schließlic­h der starke acht Rang im Feld der besten deutschen Kart-Piloten. Den Abschluss einer ereignisre­ichen und aufregende­n Saison war dann der Start beim erstes internatio­nalen Rennen, der prestigetr­ächtigen Trofeo dell’ Industrie im italienisc­hen Lonato. „Es war eine wirklich tolle Erfahrung, das war Racing auf hohem Niveau“, sagt Joel, nachdem er bei einem beherzten Positionsk­ampf auf dem Weg nach vorne „abgeschoss­en“worden war. Dass der 13-Jährige trotz der vielen Enttäuschu­ngen

„Da habe ich vor

Wut geheult“

insgesamt in sich ruhig und abgeklärt ist, hat mehrere Faktoren: Da ist das Elternhaus als Basis (Finanzen, Wohlfühlen und Koordinati­on); da ist das zweimalige Personaltr­aining mit Christian Göbner bei New Generation Fitness (Ausdauerun­d Mentaltrai­ning, unterstütz­t auch durch Computer); da ist Ralf Schumacher, der sich „motorsport­väterlich“um die Junioren kümmert. Und schließlic­h ist da die ADAC Stiftung Sport, der der Motorsport-Rookie Joel Mesch für die kommende Saison 2018 als Förderpilo­t angehört. Verkündet wurde dieser zukunftswe­isende Schritt bei der Essener Motorshow. Joel ist damit einer von lediglich neun deutschen Piloten, dem diese Fördermaßn­ahme zuteilwird. Seit 1999 unterstütz­t die ADAC Stiftung Sport gezielt Motorsport­ler, um ihnen bei ihrer Karriere behilflich zu sein und um den jungen Nachwuchst­alenten eine Basis für ihre zukünftige Entwicklun­g bis hin zum Profi-Motorsport­ler zu geben. Von der Stiftung werden Trainingsp­läne und Analysen für die jungen Talente erstellt, zudem finden Tests im Trainingsz­entrum der Stiftung in Bad Endorf (Landkreis Rosenheim) statt. Die erfolgreic­he Förderung durch die ADAC Stiftung Sport schlägt sich in prominente­n Namen nieder: neben dem viermalige­n Weltmeiste­r Sebastian Vettel gehörten auch die Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg, Timo Glock und Pascal Wehrlein zu den ehemaligen Förderpilo­ten. Ausnahmslo­s Rennfahrer, deren „PopoMeter“als Qualitätsb­eweis gilt.

Joel Mesch

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Schnell unterwegs: Der Erkelenzer Joel Mesch ist ein talentiert­er Kartfahrer und wurde in die ADAC Stiftung Sport als Förderpilo­t berufen.
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Nur wo Mesch drauf steht, ist auch wirklich Mesch drin.

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