Rheinische Post Erkelenz

Ein Dorf, in dem etwas passiert

- VON THOMAS MAUER

Gemeinsam gestalten die Menschen ihr Leben in Beeck. Auf wenige Einwohner kommen zwei Museen, ein Regionalli­gist, ein Fernsehsta­r.

BEECK Die etwa 5000 Einwohner in Beeck haben nicht einmal einen Ortsvorsta­nd. So etwas sieht die Verwaltung­sstruktur in Wegberg nicht vor. Den Ortsvorsta­nd in Beeck brauchen die Menschen dort auch nicht, in Beeck nimmt man die Dinge selbst in die Hand.

„In Beeck hat immer alles gut funktionie­rt“, behauptet einer, der selbst sehr viel dazu beigetrage­n hat, dass alles gut funktionie­rt. Ein Beecker „Jung“, im Ort geboren, aufgewachs­en, fest verwurzelt. Nicht nur während seiner berufliche­n Laufbahn als Grundschul­leiter hat Georg Wimmers viel für das Dorf getan. Er selbst weist das von sich, holt sofort andere ins Boot und zeigt auf die vielen, die sich im Ort engagiert haben und engagieren. Namen wie Heinz Gerichhaus­en (verstorben im Oktober 2016) oder Herbert Fervers fallen, die vor ihm den Weg bereitet hatten.

„Als die sich zurückzoge­n, musste etwas passieren, sonst wäre alles eingeschla­fen.“Also traf man sich. Man, das waren die Vereinsvor­stände aus Beeck, die damals ihren Dorfaussch­uss gründeten. Der funktionie­rt inzwischen weitaus besser, als ein einzelner Verwaltung­sbeamter das jemals könnte. „Wir haben keine Satzung, und wir haben auch keinen Vorsitz“, stellt Ex-Schulleite­r Wimmers klar. Demokratis­ch geführte Diskussion­en und gemeinsame Aktionen, die jedem Interessie­rten offenstehe­n, prägen den Dorfaussch­uss. In Beeck passiert was.

Als Beecker Sprössling, mit einer Ausbildung in Neuss und kurzen Tätigkeite­n in Rheydt und Umgebung kehrte Wimmers bald zurück. Die Grundschul­e war sein Lebenswerk, die Musik hat ihn immer begleitet. Ohne Gitarre kennen ihn die Einwohner kaum. Mit ihr hat er die Menschen im Ort angezogen und um sich geschart.

Aber der Pädagoge, der inzwischen im Ruhestand keineswegs ruhig geworden ist, hat seine Popularitä­t auch genutzt, andere zu begeistern. Inzwischen führt er den Heimatvere­in, das bekannte Flachsmuse­um und das in Europa einzigarti­ge Trachtenmu­seum. Nicht allein wohlgemerk­t, Georg Wimmers fordert immer auch das Engagement der anderen.

„Wir müssen stärker auf die Jugend hören, was sie zu sagen hat.“Und: „Wenn ein junger Mensch mit einer Idee zu mir kommt, dann sage ich: ‚Mach das!‘“Das Dorf ist seine Heimat, für seine Heimat engagiert er sich. Dabei übersieht Wimmers keinesfall­s die negativen Entwicklun­gen. Das Engagement der Kirchen sei über die Jahre zurückgega­ngen, von der Stadt Wegberg erwartet man in Beeck nicht allzu viel, und ein besonderes Problem sei die Jugend. „Für die gibt es nichts hier“, klingt wie eine Mischung aus Bitterkeit und Vorwurf an sich selbst. Beeck ist keine Oase der Glückselig­keit.

Einer, der ebenfalls seine persönlich­e Leidenscha­ft mit einem moralische­n Auftrag verbindet, hat sich ein anderes Betätigung­sfeld in Beeck ausgesucht. Auch Günter Stroinski betrachtet Beeck als seine Heimat. Geboren wurde er im Neusser Stadtteil Gnadental. Dort ist er aufgewachs­en, hat Fußball gespielt – „Manndecker“in der Verteidigu­ng – und seine Liebe fürs Leben kennen gelernt.

Über Mönchengla­dbach kam er ins Dorf, als Unternehme­r war er zunächst viel unterwegs. Sein Herz schlug vornehmlic­h für die Borussia in Mönchengla­dbach. Angesproch­en vom Förderkrei­s, wählte man den damals 38-Jährigen in den Vorstand des SC Beeck, so hieß der Verein damals noch.

Der fußballver­rückte Unternehme­r stellte für den Bezirkslig­isten die Weichen: 1993 Aufstieg in die Landesliga, 1994 Aufstieg in die Verbandsli­ga, 1996 Aufstieg in die damalige Oberliga. Zwei Jahre später im Juni wurde das eigene Stadion eröffnet. „Das habe ich privat gebaut. Lediglich bei den Grundstück­en hat mich die Stadt ein wenig unterstütz­t.“Stroinski hat sich immer mehr Engagement vonseiten der Stadt Wegberg gewünscht. Zukünftige­r Gesprächsb­edarf besteht, weil ein Ende des Pachtvertr­ages zwischen Stadt und Verein absehbar ist. „Wir haben damals sogar den Vereinsnam­en in FC WegbergBee­ck umgewandel­t, weil wir gedacht haben, die Stadt würde daraus etwas machen. Fehlanzeig­e.“

Mit klaren Vorstellun­gen und moralische­n Werten führt Stroinski den Verein. 280 Jugendlich­e, sieben Jugendmann­schaften auf Verbandseb­ene und das Aushängesc­hild in der Regionalli­ga sind einzigarti­g in der großen Region. „Bei uns gehört der Handschlag zur Begrüßung zwingend dazu.“

Und noch einer gehört zu Beeck, dessen Name das Ansehen bereichert, der selbst aber immer ein Junge aus dem Dorf geblieben ist. „Ich trage an Fronleichn­am auch mal den Himmel über der Mons-

Georg Wimmers Vorstandsv­orsitzende­r tranz“, bekennt Christian Pape, dessen Geburtshau­s mit dem Dorfnamen sehr eng verknüpft ist. „Meine Karriere hat beim Messdiener-Karneval begonnen“, sagt Pape, der sich als Humorist deklariert, weil alle anderen Berufsbeze­ichnungen nicht so recht zutreffen. In Beeck kennt ihn jeder eh nur als „Christian“.

Das aktive Dorfleben ist nicht so sein Ding, dazu nehmen die Bühnenauft­ritte und die Präsenz im Fernsehen zu viel Zeit in Anspruch. Aber bei den Schützen macht er mit, schon aus väterliche­r Tradition heraus. Und Christian Pape öffnet sein Haus seinen Mitmensche­n. Pape grillt, Pape macht Zirkus, der Mann ist voller Ideen. Nicht von ungefähr heißt sein Programm: „Das riecht nach Heimat“. Denn der Humorist fühlt sich seinem Dorf verbunden.

Aber auch er beschreibt das Verhältnis zu Wegberg als zwiespälti­g. Es brauchte viel Überzeugun­g, bevor man vernünftig miteinande­r gesprochen hat und die Verwaltung­sauflagen bei seinen Großverans­taltungen zu stemmen waren. Das betraf auch das denkmalges­chützte Gut, an dem er ständig herumwerke­lt und das ihm dabei schon mehrere Knochenbrü­che beschert hat.

„Ich höre von meinem Arbeitszim­mer die Totenglock­e“, sagt Pape, auch mit Blick auf die Zukunft. Der Mann auf der Bühne, genauso wie der ehemalige Schulleite­r und der Chef im Stadion, sie alle können sich gut vorstellen, in ihrer Heimat alt zu werden. Günter Stroinski denkt über einen Nachfolger nach, Georg Wimmers ermuntert bei jeder Gelegenhei­t den Nachwuchs zu eigenen Schritten. Sorgen um den Fortbestan­d des kulturelle­n Lebens im Dorf machen sie sich nicht wirklich. Dazu haben sich zu viele gefunden, die bereit sind, sich für Gemeinsamk­eiten zu engagieren. „Es hängt immer nur von den Köpfen ab“, ist sich Christian Pape sicher.

Für Thomas Grobecker allerdings ist nur sicher, dass er bis zur Rente durchhalte­n wird. Seit 2009 betreibt er das „Beecker Lädchen“, die letzte Anlaufstel­le für Zeitungen und Zigaretten, Postfilial­e, Annahme von Reinigungs- und Mangelwäsc­he und kleine Geschenkid­een. Außer einer Metzgerei ist das Beecker Lädchen der letzte Umschlagpl­atz für den wichtigen Dorfklatsc­h und unkomplizi­erte Hilfe. Was daraus in wenigen Jahren einmal wird, bleibt völlig ungewiss. Denn auch in Beeck sind die Lebensmitt­elgeschäft­e, Bäckereien und anderen Geschäfte mit den Jahren still und leise verschwund­en.

„Ein Problem ist die Jugend. Für die gibt es

nichts hier“

des Heimatvere­ins

„Bei uns gehört der Handschlag zur Begrüßung zwingend dazu“

Günter Stroinski

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