Rheinische Post Erkelenz

Auf der Suche nach der Derby-Vorfreude

- VON JANNIK SORGATZ

Vor dem Duell am Sonntag liegt Borussia 22 Punkte vor dem 1. FC Köln. Viele Gladbach-Fans freuen sich darüber gar nicht so sehr.

So alt wie das Rheinische Derby kann der Spruch gar nicht sein. Naturgemäß benötigte Borussia ein paar Jahre, um den 1. FC Köln zum Lieblingsg­egner in der Bundesliga zu machen. Doch seitdem sich der „Effzeh“im regelmäßig­en Abständen aus der Bundesliga verabschie­det (bislang fünfmal), geben Borussia-Fans auf die Frage, was bei einem Kölner Abstieg fehlen würde, eine erwartbare Antwort: sechs Punkte. Schließlic­h erinnern sie sich noch lebendig an Zeiten, in denen jeder Punkt für Gladbach überlebens­wichtig war. Ironischer­weise erfolgten die beiden eigenen Abstiege sogar in zwei Spielzeite­n, in denen Köln zweitklass­ig war.

Der letzte Derby-Sechser gelang in der Saison 2011/12, liegt also sechs Jahre zurück, weil a) die Kölner zwischendu­rch weg waren und es b) seit ihrem Wiederaufs­tieg stets äußerst eng zuging. Viermal gewann Borussia mit einem Tor Unterschie­d, zweimal der „Effzeh“, einmal endete das Derby torlos. Brisant, spannend und meistens beides war es dabei. Genügend Gründe gäbe es also, sich auf das Duell am Sonntag (Anpfiff 15.30 Uhr) in der Domstadt zu freuen, doch von Derbyfiebe­r ist auf beiden Seiten noch wenig zu spüren.

Liegt die Gemütstemp­eratur im Normalbere­ich, obwohl die Winterpaus­e endet oder weil sie schon endet? Die Rückrunde beginnt für beide Klubs nur zwei Wochen nach Silvester. Prickelt es so wenig, weil Borussia 22 Punkte vor Köln liegt oder obwohl der Vorsprung so groß ist? Was Huhn und was Ei ist auf der Suche nach dem Derbyfiebe­r, ist schwer zu bestimmen. „Ich würde Köln schon vermissen“, sagt Dirk Kramer, Sprecher des FPMG Supporters Clubs. „Am besten ist es, wenn die Kölner klar hinter uns stehen und in derselben Liga spielen.“

Ersteres ist der Fall wie selten zuvor, Letzteres sehr wahrschein­lich nur noch vier Monate. Das scheint zumindest bei den Fans für ein gewisses Dilemma zu sorgen. Borussia kann mit einem Derbysieg jeglichen Optimismus beim Rivalen im Keim ersticken, kann sich mit einer Niederlage aber auch blamieren. „Ich will denen die Nägel auf den Sargdeckel hämmern, so dass der letzte Funke Hoffnung bei denen futsch ist“, gibt ein User im Forum die eine Gefühlsric­htung wieder. „Das ist die Angst vor dem höchst borussisch­en Verhalten, eine gute Gelegenhei­t, sich da festzusetz­en, nicht zu nutzen und Aufbauhilf­e zu leisten“, er- klärt ein User aus der Fraktion, der es an Vorfreude mangelt.

Scheinbar kann Borussia gegen den abgeschlag­enen Tabellenle­tzten gar nicht so viel gewinnen, dabei wäre ein Sieg enorm wichtig, um die eigene Position zu stärken. Schalke und Leipzig spielen am Samstag gegeneinan­der, Leverkusen empfängt morgen die Bayern – sehr wahrschein­lich würde Gladbach mit einem Derbysieg auf den vierten Platz vorrücken. „Im Hinspiel haben wir eine bravouröse Leistung gezeigt und völlig verdient gewonnen. Die weitere Entwicklun­g in der Tabelle beider Vereine hat gezeigt, wie wichtig so ein erfolgreic­her Start ist“, sagt Gladbachs Sportdirek­tor Max Eberl. Köln dagegen blieb bis kurz vor Weihnachte­n sieglos, da gab es gegen den VfL Wolfsburg die ersten drei Punkte. Zumindest zu dieser Premiere kann Borussia dem Rivalen nicht mehr verhelfen, das Wort „typisch“hätte ansonsten mit Gedanken an eine mögliche Niederlage bei den Gladbacher Fans schon Hochkonjun­ktur.

Supporters-Club-Sprecher Kramer glaubt, dass viele nach der kurzen Pause „noch nicht wieder im Modus sind“. Drei Tage bleiben noch, um sich von Eberls Worten überzeugen zu lassen: „Vor allem weil wir in dieser Saison nicht europäisch spielen und jetzt auch im DFB-Pokal ausgeschie­den sind, hat das Derby noch mal eine besondere Bedeutung“, sagt der Sportdirek­tor. Noch ist das Kölner Stadion jedoch nicht einmal ausverkauf­t. Auch der Verkauf der Gästekarte­n lief mitten in der Weihnachts­zeit ungewohnt schleppend an. Das heißt: Es brachen keine Server zusammen und zwei Stunden später gab es immer noch Karten. Jetzt sind alle 4700 weg, und spätestens beim Anpfiff wird das Derbyfiebe­r da sein. Womöglich zum letzten Mal bis mindestens August 2019.

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FOTO: IMAGO (ARCHIV) Ein Derby ganz nach dem Geschmack der Borussia-Fans gab es im April 2017: Lars Stindl hat gerade das 3:2 für Gladbach in Köln geschossen.

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