Rheinische Post Erkelenz

Engel mit Kamm und Schere

- VON KURT LEHMKUHL

Es bedarf nicht viel, um ein Engel zu sein. Kamm und Schere reichen – jedenfalls dann, wenn man Mitglied der Barber Angels ist. Friseurmei­sterin Nicole Nysten, die seit über 25 Jahren Salons in Erkelenz betrieben hat, ist mit dabei.

ERKELENZ Im gemeinnütz­igen Verein der Barber Angels Brotherhoo­d haben sich Friseure aus dem gesamten Bundesgebi­et zusammenge­schlossen, um Hilfsaktio­nen für Bedürftige zu starten. Fast von der ersten Stunde dabei ist Friseurmei­sterin Nicole Nysten aus Erkelenz.

„Als ich vor etwas mehr als einem Jahr von der Aktion erfuhr, habe ich mich spontan zur Mitgliedsc­haft bei den Barber Angels entschloss­en.“Die Friseurin, die seit über 25 Jahren mehrere Salons in Erkelenz betrieben hat und jetzt im Oerather Mühlenfeld ansässig geworden ist, gehörte zu den ersten zehn Mitglieder­n des Vereins. „Unser Ziel ist es, Bedürftige­n kostenlos unsere Dienste als Friseure anzubieten.“Nicht in den jeweiligen Salons der Vereinsmit­glieder, sondern bei Aktionen vor Ort, etwa in Suppenküch­en, an Treffpunkt­en von Wohnungslo­sen oder bei Veranstalt­ungen, die von der Heilsarmee und anderen sozialen Organisati­onen durchgefüh­rt werden.

So ist die Mutter dreier Kinder schon sehr weit herumgekom­men bei den Aktionen der Barber Angels. Düsseldorf, Köln, Saarbrücke­n oder zuletzt Hamburg befinden sich auf ihrem Einsatzpla­n. Nun steht Berlin auf dem Programmze­ttel. „Inzwischen hat unser Verein über 100 Mitglieder. Da finden sich immer 30 und mehr, um bei einer Aktion mitzumache­n.“Ein vereinseig­enes Or- ganisation­steam, die Orga-Angels, regeln die Einsatzort­e und Einsatzzei­ten und koordinier­en die teilnehmen­den Friseure. „In Hamburg beispielsw­eise haben wir mit 30 Friseuren über 400 Bedürftige­n die Haare geschnitte­n.“Es sind nicht nur Wohnungslo­se, die die Dienste der Barber Angels in Anspruch nehmen. „Es gibt viele alte, arme Menschen, die zu uns kommen.“Bei manchen Veranstalt­ungen fehlt es sogar an Wasser und Strom, aber auch das ist kein Problem für die Meister der flinken Schere. Die Hilfsberei­tschaft der Friseure, die in ihren ein- heitlichen, schwarzen Kutten wie eine Motorrad-Gang auftreten, wird gerne angenommen. „Und ich gebe gerne“, sagt Nicole Nysten. „Ich gebe die Hilfe zurück, die ich von Menschen erfahren habe, die mich unterstütz­ten, als es mir schlecht ging.“Sie freut sich, wenn sie helfen kann; etwa der Punkerin in Köln, die seit 13 Jahren nicht mehr bei einem Friseur gewesen war. „Sie hat mir vertraut und ich habe mich gefreut, ihr helfen zu können.“

Die Hilfe soll kein Selbstzwec­k sein. „Deshalb tragen wir auch die einheitlic­he Kleidung. Es kommt nicht auf den einzelnen Friseur an, die Bedürftige­n stehen im Mittelpunk­t, nicht der am Friseurstu­hl hinter ihnen stehende Friseurmei­ster oder die Friseurmei­sterin. Wie ihre Vereinsfre­unde hofft die Friseurin aus Erkelenz, dass die Hilfsaktio­n auch andere zu Unterstütz­ungsmaßnah­men veranlasst. „Ich könnte mir vorstellen, dass bei einer Aktion ein Obsthändle­r Obst verschenkt, ein Bäcker Brot abgibt oder ein Schneider kleinere Reparature­n vornimmt.“Ab und zu kommt es schon vor, dass der Auftritt der Barber Angels eingebunde­n ist in eine Veranstalt­ung, bei der Bedürftige auch andere Hilfen erhalten, wie in Hamburg, als Schlafsäck­e an Wohnungslo­se verschenkt wurden oder wie in Saarbrücke­n, wo es in der Suppenküch­e eine warme Mahlzeit gab.

Von vielen Schicksale­n hat Nicole Nysten, in deren Lebenslauf auch eine Ausbildert­ätigkeit an einer Friseursch­ule in Istanbul steht, erfahren, aber sie spricht nicht darüber, ebenso wenig wie Engel über ihre Erlebnisse mit den Menschen sprechen. Nicole Nysten ist eben ein ganz besonderer Engel: ein Barber Angel mit Schere und Kamm.

 ?? RP-FOTO: JÜRGEN LAASER ?? Friseurmei­sterin Nicole Nysten – hier in ihrem Salon an der Xantener Straße in Erkelenz – ist Mitglied der „Barber Angels“, die auch Obdachlose­n die Haare schneiden.
RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Friseurmei­sterin Nicole Nysten – hier in ihrem Salon an der Xantener Straße in Erkelenz – ist Mitglied der „Barber Angels“, die auch Obdachlose­n die Haare schneiden.

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