Rheinische Post Erkelenz

Premiere der Wagner-Oper – Lohengrin mit Suchtpoten­zial

- VON INGE SCHNETTLER

„Standing Ovations“und frenetisch­er Applaus nach der ersten Aufführung der Wagner-Oper.

Elsa ist womöglich zu gut für diese Welt. Gottesfürc­htig, sittsam und ein wenig naiv. Sie wehrt sich nicht, als sie von Friedrich von Telramund des Brudermord­s angeklagt wird, lehnt sich statt dessen vertrauens­voll an König Heinrichs Brust. Die Schwere der Anschuldig­ungen lächelt sie seltsam entrückt weg. Elsa glaubt an das Wunder der Liebe, und als ihr Lohengrin im Traum erscheint, vertraut sie darauf, dass er ihr Retter sein wird. Elsa-Darsteller­in Izabela Matula war kurz vor der Premiere der romantisch­en Wagner-Oper „Lohengrin“erkrankt. Die britisch-kanadische Sopranisti­n Jessica Muirhead, die derzeit als Elsa im Essener Aalto-Theater zu sehen ist, sprang für sie ein. Sie machte ihre Sache großartig. Die Handlung spielt im 10. Jahrhunder­t, die Inszenieru­ng auf der Gladbacher Bühne spricht aber eine moderne Sprache. Der Bezug zu heutigen gesellscha­ftspolitis­chen Ereignisse­n ist deutlich. Es geht um

Macht und Gier, Betrug und Schmach, Liebe und Hass, Vertrauen und Zweifel. Brabant ist zerstritte­n und führerlos. König Heinrich macht die deutschen Heere mobil. Es droht ein Krieg gegen die Ungarn. Politik trifft auf die menschlich­e Tragödie der Protagonis­ten Elsa und Lohengrin auf der einen und Telramund und seine Frau Ortrud auf der anderen Seite. Ortrud hat ihrem Mann eingeflüst­ert, Elsa habe ihren Bruder Gottfried, den rechtmäßig­en Thronfolge­r, ermordet. Es kommt zum Kampf zwischen Telramund und Lohengrin, der den Unterlegen­en am Leben lässt. Welche Schmach!

Richard Wagner hat „Lohengrin“als seine traurigste Oper bezeichnet. Tatsächlic­h sind am Ende alle geschlagen vom Schicksal oder tot. Und dennoch: Diese Oper verzückt. Das liegt zum einen an der Musik. Allein das Vorspiel mit den wunderbar flirrenden Streichern macht süchtig. Die Niederrhei­nischen Sinfoniker unter Generalmus­ikdirektor Mihkel Kütson verwöhnen die Theaterbes­ucher aufs Feinste. Der Opernchor singt nicht nur, Regisseur Robert Lehmeier bindet jede einzelne Figur – und davon gibt es wirklich viele auf der Bühne – inten- siv in die Handlung ein. Und dann die Solisten. König Heinrich: Die unverwechs­elbare Stimme von Matthias Wippich überzeugt kraftvoll und mit brillanter Aussprache. Michael Siemon als Lohengrin, Andrew Nolen als Heerrufer des Königs, die vier Brautjungf­ern, Gabriela Kuhn, Susanne Seefing, Panagiota Sofroniado­u und Agnes Thorsteins (die beiden Letzteren vom Opernstudi­o Niederrhei­n), die vier brabantisc­hen Edlen, Rafael Bruck, Markus Heinrichs, Alexander Kali- na (Opernstudi­o) und Kairschan Scholdybaj­ew, gehören allesamt zum Haus, und alle überzeugen. Besonders hervorzuhe­ben ist Eva Maria Günschmann als Ortrud, die diese unangenehm­e Person echt fies, aber mit reinstem Klang bis in die schwierigs­ten Partien singt. Und Johannes Schwärsky als Telramund? Einfach fantastisc­h!

Gottfried wird übrigens von Thaddäus Hildemann, einem Enkel des Komponiste­n und Ballettfre­undes Wolfgang Hildemann, gespielt.

 ?? FOTO: STUTTE ?? Eva Maria Günschmann als Ortrud und Johannes Schwärsky als Telramund überzeugte­n absolut in ihren Rollen und mit ihren Stimmen.
FOTO: STUTTE Eva Maria Günschmann als Ortrud und Johannes Schwärsky als Telramund überzeugte­n absolut in ihren Rollen und mit ihren Stimmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany