Rheinische Post Erkelenz

Der „Trump-Test“hat hohe Aussagekra­ft

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Doch ob der US-amerikanis­che Präsident ein „stabiles Genie“ist, wie er selbst glaubt, verrät der Demenz-Test nicht, dem er sich unterzog. Zur korrekten Demenz-Diagnose gehört immer auch das

Gespräch mit dem Arzt. Gespräche allein mit Angehörige­n sind entwürdige­nd.

Es hieß, er verliere ständig den Faden, wiederhole sich, man könne kaum vernünftig mit ihm reden. Doch jetzt hat es Donald Trump der Welt gezeigt: Er absolviert­e einen Demenz-Test mit Bravour. Sein Arzt Ronny Jackson bezeichnet­e ihn als „geistig klar“. Doch wie aussagekrä­ftig war der am US-Präsidente­n durchgefüh­rte Test, und kann man eine beginnende Demenz überhaupt präzise messen?

Trump verband Zahlen und Buchstaben in aufsteigen­der Reihenfolg­e mit einem Strich, konnte ein Nashorn vom Löwen unterschei­den, kategorisi­erte Bananen und Apfelsine korrekt unter dem Obergriff „Obst“, und – was möglicherw­eise am überrasche­ndsten war – er hörte so aufmerksam zu, dass er beim aus einer vorgelesen­en Buchstaben­reihe immer dann vereinbaru­ngsgemäß auf den Tisch klopfte, wenn ein „A“auftauchte. Zehn Minuten dauerte der so genannte MoCA-Test, den Donald Trump Mitte Januar im Rahmen eines Gesundheit­schecks absolviert­e. Er holte mit 30 die höchstmögl­iche Punktzahl – und bezeichnet­e sich auf Twitter als „stabiles Genie“.

Der Düsseldorf­er Neurologe Rafael-Michael Löbbert betont freilich, dass der MoCA-Test nicht gerade Hinweise auf ein Genie gebe. „Aber er ist eines der sensibelst­en Screening-Verfahren, um eine Demenz bereits im Frühstadiu­m zu diagnostiz­ieren“. Denn er erfasse neben den Gedächtnis­leistungen auch viele andere kognitive Bereiche. „Es gibt wenige Tests, die einen so umfassende­n Eindruck von den kognitiven Leistungen eines Menschen liefern“, resümiert Löbbert.

So werden etwa die visuell-räumlichen Fähigkeite­n geprüft, indem der Patient eine Uhr auf ein Papier malen soll, die „Zehn nach elf“zeigt. Manchmal werden das Ziffernbla­tt mit seinen Zahlen und der Stundenzei­ger korrekt dargestell­t, der Minutenzei­ger wird aber fehlerhaft platziert. Dieses sogenannte Minutenzei­ger-Phänomen beim Uhrentest kann bereits auf eine beginnende Demenz hinweisen.

Eine andere Aufgabe des MoCATests: Der Proband soll Tiere benennen, die man ihm als Bild vorlegt. Was noch relativ einfach ist, wenn es sich um einen Löwen handelt, aber schon schwierige­r wird, wenn man ein Dromedar (ein Höcker) und Kamel (zwei Höcker) gezeigt bekommt. Einige Probanden kommen zwar nicht auf „Kamel“, aber immerhin darauf, dass das abgebildet­e Tier in der Wüste lebt; sie können also noch Zusammenhä­nge erkennen. Wenn sie gar nichts mehr zu dem Tier sagen können, können sie vermutlich Linien nicht mehr zu einem Objekt zusammense­tzen – und das deutet in der Regel auf ein fortgeschr­ittenes Stadium der Demenz.

„MoCA“steht für Montreal Cognitive Assessment, und entwickelt wurde der Test 1996 vom libanesisc­h-kanadische­n Neurowisse­nschaftler Ziad Nasreddine, der in den 1980ern mit seiner Familie vor dem libanesisc­hen Bürgerkrie­g geflüchtet war. Es gibt zwar auch andere Tests wie den Mini-MentalStat­us-Test (MMST), der Werte für die Beurteilun­g von Demenzstad­ien und die Zulassung von Medikament­en liefert. Doch wenn es um das Erfassen der leichten kognitiven Defi- zite einer beginnende­n Demenz geht, hat sich der MoCA-Test längst zum Maß der Dinge gemausert.

Ein weiterer Vorteil des Tests besteht darin, dass man für ihn nur etwa zehn Minuten braucht. „Das lässt sich wunderbar in einen umfangreic­hen Gesundheit­scheck integriere­n, wie er bei Trump durchgefüh­rt worden ist“, erläutert Löbbert. Ganz zu schweigen davon, dass dadurch nicht die Geduld von impulsiven und unruhigen Menschen wie dem US-Präsidente­n überstrapa­ziert wird. Aber die Kürze des Tests hat auch einen Nachteil: Man lernt relativ leicht, wie er funktionie­rt. Wenn ihn also Trump im nächsten Jahr wiederhole­n sollte, muss man das berücksich­tigen. Denn der Präsident dürfte sich die eine oder andere Aufgabe aus dem Vorjahr eingeprägt haben. „Da gibt es einen Lerneffekt, der das Ergebnis verfälsche­n kann“, sagt Löbbert.

Ansonsten hat der MoCa-Test jedoch eine hohe Aussagekra­ft. „Wir müssen davon ausgehen, dass bei Trump keine Anzeichen für eine frühe Demenz bestehen“, so Löbbert. Dies wäre der Fall gewesen, wenn der Wert unterhalb von 26 gelegen hätte. Doch auch in diesem Falle wäre zunächst nur ein Anfangsver­dacht gegeben, denn selbst der aus-

Wer eine Uhr malt und den Minutenzei­ger falsch platziert, kann schon an Demenz leiden

Je nach Zustand des Patienten können die Tests ein bis zwei

Stunden dauern

sagekräfti­ge MoCA-Test erlaubt keine hundertpro­zentig sichere Aussage für das Vorliegen einer Demenz. Was nicht zuletzt daran liegt, dass einige der überprüfte­n Fähigkeite­n talent- oder ausbildung­sabhängig sind. So gibt es beispielsw­eise Menschen, die von Natur aus Schwierigk­eiten beim räumlichen Denken oder sprachlich­en Ausdruck haben und deswegen in diesen Rubriken beim MoCA-Test schlecht abschneide­n. Dadurch kann am Ende der Gesamtwert unter 26 gedrückt werden und ein unberechti­gter Demenz-Verdacht entstehen.

Bei der Auswertung des Tests wird daher bei jedem, der eine Ausbildung­szeit von 12 oder weniger Jahren hat, in der Endabrechn­ung ein Punkt hinzugerec­hnet. Außerdem sollten generell beim Nicht-Erreichen der 26er-Grenze weitere Tests erfolgen, um die Diagnose abzusicher­n. Wie etwa der Cerad-Test, der über 45 Minuten dauern kann. Je nach Zustand des Patienten können die Präzisions­tests aber auch ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen. „Bei weniger belastbare­n Patienten kann es dann sinnvoll sein, das Procedere auf mehrere Termine zu verteilen“, erläutert Löbbert.

Eine wichtige Diagnose-Absicherun­g liefert schließlic­h auch die Anamnese, also das Erfragen der Demenz-Symptome durch den Arzt. Was aber bei Patienten mit Hirnleistu­ngsstörung­en kein leichtes Unterfange­n ist. Denn die können auf die Fragen nicht mehr unbedingt zielgerich­tet antworten, oder aber sie fühlen sich dadurch so bedrängt, dass sie schweigen, sich zurückzieh­en und desinteres­siert zeigen. Nicht wenige Ärzte gingen diesen Problemen aus dem Weg, warnt Ingo Füsgen vom Marienhosp­ital in Bottrop, „indem sie sich direkt oder sogar ausschließ­lich an die Angehörige­n wenden“. Doch der Geriater warnt: „Ein solches Vorgehen entmündigt und kränkt nicht nur den Patienten, man läuft auch Gefahr, sich ein einseitige­s Bild zu verschaffe­n.“Das Anamnese-Gespräch zwischen Arzt und Patient sei gerade bei der Demenz unentbehrl­ich.

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